5 Dinge die jeder aus Sportverletzungen lernen sollte

Der moderne Mensch ist ein Gefangener von Veränderungen. Nicht das es früher keine gegeben hätte, aber heute werden wir noch bewusster darauf gestoßen und damit konfrontiert. Es gibt kaum einen Arbeitnehmer, der nicht schon mal aktiv oder passiv Teil eines Veränderungsprozesses war.

Wie schön ist es, wenn man sich in der Freizeit dann dorthin zurückziehen kann, wo es weniger oder vielleicht gar keine Veränderungen gibt. Die Insel der Glückseligkeit sozusagen.

Nun hängen wir Ausdauersportler doch sehr an unserem Sport. Nicht umsonst hat Eric erst vor kurzem durchdeklinieren müssen, wie sehr man doch sportsüchtig (für Aussenstehende) ist.

Etwas, das in unserem Leben so einen zentralen Stellenwert hat, ist damit auch ständig gefährdet Teil eines Veränderungsprozesses zu werden.

Mir selbst ging es beispielsweise vor ca. 1,5 Jahren so, als ein plötzlich aufgetauchtes Firmenprojekt meinen ersten Marathon kassiert hat und mich an die Grenzen brachte. Die üblichen Reaktionen auf Veränderungen konnte ich direkt am eigenen Leib erfahren. Noch schlimmer wird, es wenn sich nicht nur etwas verändert, sondern wenn das – was man gerne tut – auf einmal nicht mehr möglich ist. Die Sportverletzung *hier dramatische Orchestermusik einfügen* ist da … alles wird anders, gewohntes steht hinten an.

An dieser Stelle verweise ich auf eine weitere fundierte wissenschaftliche Arbeit. In ‚Die Funktionsweise des verletzten Läufers‚ zeigt Sebastian was so in uns vorgeht. Ähnliches erlebt man auch in Change Management Workshops (oder der realen Arbeitswelt) – Dinge die wir Menschen immer wieder tun, wenn wir mit ungewollten Veränderungen in Kontakt kommen. Überreagieren, zögern, zaudern, verdrängen, Übersprungshandlungen. Alles ganz normal und Teil des Prozesses.

Aber irgendwann kommt jeder verletzte Hobbysportler an dem Punkt, an dem nicht mehr die Sportverletzung der Fixpunkt aller Handlungen ist. Der Verletzungs-Break-Even … der Punkt an dem der Frust sinkt, die Zuversicht steigt, die Motivation zurückkehrt unabhänig von Diagnose oder Prognose. Zu diesem Zeitpunkt kommt der Zauber der Veränderung in unsere Leben. Die Veränderung, die Verletzung wird zur Chance … wird zum Türöffner für neue Sichtweisen und die Grundlage für neue Ziele.

Deswegen möchte ich heute meine 5 wichtigsten Lerneinheiten aus meiner Sportverletzung zum besten geben.

#1 die Regeneration findet nicht nur auf der Couch statt!

Couch

Irgendwo schrieb ich vor etwa einem Jahr, dass ich deutlich mehr Fokus auf Regeneration legen möchte. Wie es eben so ist, bei Wünschen und Vorsätzen – man sollte aufpassen was man sich wünscht. Regeneration ist ein großes Wort. Jeder der etwas ambitionierter trainiert kennt es, aber was wollen wir damit erreichen?

Wir wissen was Superkompensation ist und das sie nur in der Zeit zwischen den Trainingseinheiten funktioniert. Wir lesen in Büchern von den Sportlern in Kenia die sich so oft zwischen den vielen Einheiten ausruhen und deswegen so viel trainieren können.

Aber mal ehrlich, wir sind keine Kenianer. Wir sitzen dauernd, gehen wenig und hin und wieder laufen wir. Hier und da wird eine Einheit reingeklemmt … teilweise mal schnell. Aus dem sitzen aufstehen, wenig getrunken wird losgelaufen – der Körper ist nicht aufgewärmt und von „gut geschmiert“ weit entfernt. Da die Zeit drängt, geht es danach direkt weiter. Wieder hinsetzen, der Körper fährt runter und wichtige Teile der Regeneration werden verzögert.

Was kannst du dagegen tun? Ein gutes Gefühl für deinen Körper entwickeln und auch mal über deinen Schatten springen.

Als ich bei Greif zum ersten vom vom sogenannten Testo-Training las, war ich schockiert. Nach einem 35km Lauf sollte man noch 5 Steigerungen laufen. Ich dachte, was der Blödsinn soll. Wenn man komplett ermüdet ist und es überall weh tut. Aber es funktioniert. Nach 3h der immer gleichen Bewegung bietet man dem Körper einen neuen Anreiz, man treibt den Puls nochmals hoch und mir ging es an den Tagen danach immer besser, als dann wenn ich es ausgelassen habe.

Es ist müsig sich nach harten langen Einheiten zu motivieren sich nicht hinzulegen. Aber höre doch mal in dich hinein. Bist du wirklich müde, oder sind es eher die Muskeln. Je nach dem sollte man dem Körper geben was er verlangt, ein Schläfchen hier, ein heißes Bad dort … oder eben ein lockerer Spaziergang.

Ich habe das schleifen lassen. Rennen, liegen, nichtstun. Mein Schrittzähler lässt sich veräppeln, im Wochenschnitt erreichte ich das Ziel aber an allen Tagen ohne Laufen blieb ich weit darunter. Der Körper braucht für die Regeneration, für die Superkompensation aber eigentlich nur Entlastung und nicht Couch und Bewegungsstarre.

Versuche dich mehr zu bewegen zwischen den Einheiten. Nicht mit dem Auto zum Lauftreff fahren, sauber Warm-up und vor allem auch Cool-Down einbauen und dann lieber noch ein paar Minuten mehr stehen und gehen.

#2 verändere nicht nur den Sport, sondern Deinen Alltag!

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Nun las ich vor kurzem erst, dass eine Vielzahl der Freizeitläufer an Lauftagen überdurchschnittlich viel Junkfood zu sich nehmen. Alles prima, wenn es an den anderen Tagen besser aussieht. Aber tut es das wirklich?

Noch interessanter die Überlegungen zum leider schon wieder verebbten Natural Running Trend. Überall wurden flache, leichte und wenig gedämpfte Schuhe verkauft. Viele liefen damit, verletzten sich und die Folge daraus … jetzt schnallt man 3x so viel Dämpfung unter die Sohle. Wer unter der Woche 100-150tsd Schritte tut sollte vielleicht eher dort anfangen auf natürlichere Schuhe umzusteigen und den Körper vorzubereiten und dann langsam beim laufen nachrücken.

Im Alltag lauern so viele Dinge, die uns limitieren. Wir sitzen fast den ganzen Tag, wir heben schlecht, wir verdrehen die Beine und und und. Möchtest Du etwas ändern, dann muss das im Alltag beginnen.

Abends ein bisschen mobilisieren – schön und gut, aber wenn Du vorher 10h gesessen warst, sind die Ergebnisse andere. Aufstehen, herumgehen und hin und wieder eine kleine Übung machen. Es fühlt sich so unglaublich gut an, die Kraft, die Energie die man durch den Sport erwirbt einzusetzen und sie nicht bis zur nächsten Trainingseinheit schlummern zu lassen.

Nicht alles im Alltag hat Auswirkungen auf deinen Sport, oder anders herum … aber versuche die Dinge zu entdecken, die Verletzungen hervorrufen können. Sei dir nicht zu schade auch mal etwas zu hüpfen und mal eine Runde mehr über einen Parkplatz zu gehen, trag ruhig komische Schuhe – deine Füße werden sie lieben. Die vielen Stunden zwischen den Trainingseinheiten sind nicht helfen dir dich fitter zu fühlen.

#3 akzeptiere was Du hörst und spürst!

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Im Nachgang zu jeder Sportverletzung sitzen wir Zuhause und fragen uns, welche der Blödheiten den ganzen Spuk nun ausgelöst hat. In diesen stillen Minuten sitzen wir dann wie im Beichtstuhl und gestehen und rückwirkend nochmals unsere größten Dummheiten. Doppeleinheiten, gelaufen trotz Ermüdung, leichte Erkältung ignoriert, über den Schmerz gelaufen und und und.

Die Liste an Sünden, die wir im Trainingsalltag wohlwissentlich an uns selbst begehen ist beinahe unendlich. Nicht umsonst kursiert in der laufenden Twitterwelt der Hashtag #1001FehlerimAusdauersport.

Wie wäre aber eine Welt, in der alle Hobbysportler genau das richtige tun? Natürlich öde und langweilig. Grenzen sind dafür da ausgelotet zu werden. Aber es wäre so viel einfacher, wenn wir die bewussten blödsinnigen Grenzübertretungen einfach bleiben lassen.

Warum musste ich am Tag nach meinen schlimmsten Hüft- und Rückenschmerzen und dem Laufabbruch nochmals 28km laufen? Hat es was gebracht? Nein … nur noch mehr Schmerzen.

Es bringt dir nichts, wenn du bei jedem Zipperlein sofort die Laufschuhe ins Eck stellst, aber für alle die mind. 2-3 Jahre ambitioniert Sport betreiben gilt, dass es möglich ist zwischen Überlastung und Zipperlein zu unterscheiden. Du musst nur ehrlich zu dir sein. In den seltensten Fällen bedeutet das, alles aufzugeben, manchmal braucht man kurz Geduld oder einfach die passende Alterantivsportart.

Sei ehrlich, wäge gut ab was du tun willst und was Du bereit bist zu riskieren. Setze dir ein sinnvolles Ultimatum ab wann Du dann auch pausierst. Vorher natürlich erst Tempo, dann Umfang und letztlich die Frequenz reduzieren. Aber mach dir klar, was danach passiert … nicht einfach weitermachen bis es nicht mehr geht. Hör‘ in Dich hinein und treffe eine Entscheidung … niemals KEINE!

#4 viele Wege führen nach Rom!

Mit #3 im Kopf muss übrigens das Leben noch nicht zu Ende sein. Viele gute Trainer und Ratgeber schreiben immer wieder das gleiche. Lege deine Ziele in 3 Prioritäten fest.

  1. Prio: dieses Ziel ist das Optimum. Dafür trainierst Du, was willst Du erreichen.
  2. Prio: dieses Ziel ist der Wohlfühlpunkt. Das möchtest Du erreichen, wenn die Rahmenbedingungen nicht ganz so gut sind.
  3. Prio: dieses Ziel ist dein Mindestziel. Das möchtest Du erreichen, wenn alles schief läuft.

2851575552_064e6a02fc_zDiese drei Ziele nehmen viel Druck aus deinem Trainingsalltag. Natürlich kann man immer noch prima gegen die Wand fahren, wenn man stets versucht auf Prio 1 zu trainieren. Aber da sind wir wieder bei der Vernunft.

Mir fehlte für den Berlin Marathon eine klare Zieldefinition. Ich habe mich auch hier lange gedrückt, eben keine Entscheidung getroffen, dann so getan als ob und letztlich alles über den Haufen geworfen. Ich wollte den Plan durchziehen weil ich dachte es geht nicht anders. Aber es geht anders. Nun trainiere ich seit 2 Monaten komplett anders, vielleicht hätten es 2-3 Wochen getan.

Alternativtraining ist die Lösung, Krafttraining ist eine gute Alterantive. Oder du reduzierst nochmals alle 3 Ziele, dann aber ehrlich mit dir selbst.

Trainingspläne sind toll, aber sie sind eindimensional – die bieten nur einen linearen Weg zum Ziel. Was wenn man zusätzlich noch mit dem Rad trainiert, dann kann man durchaus mal die ein oder andere Einheit ausfallen lassen.

Dafür brauchst du viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl. Ich gebe zu, dass ist wirklich schwierig, aber allein das Bewusstsein, mehrere Zielebenen zu haben und diese auch auf verschiedenen Wegen erreichen zu können, nehmen den Druck raus, der uns zu Blödsinn verleitet.

Nimm dir Zeit, bleibe ehrlich und frage dich – vor allem wenn es überall weh tut – ob nicht vielleicht eine Entlastungswoche, alternative Workouts oder eine Pause hilfreich sein kann.

#5 übernimm Verantwortung!

4003590489_b2719353d5_oJeder Profi-Sportler hat ihn. Nicht nur den Trainer sondern auch den Arzt, Physiotherapeuthen oder Osteopathen des Vertrauens. Dabei geht es nicht nur darum, sich behandeln zu lassen, sondern einen Sparringspartner zu haben. Jemanden den man um Rat fragen kann, jemand der einen Denkanstäze gibt. Das ist schön und gut – aber für den Hobbyathleten viel schwieriger umzusetzen als für den Profi. Der Profi wird umschwirrt – der Hobbyathlet muss zu seinem Propheten hin.

Und das kostet, Zeit oder Geld!

Eines der Großen, noch nicht vollständig geklärten Geheimnisse der Medizin ist, dass Menschen die ihre Erkrankung annehmen und eigenverantwortlich handeln deutlich öfter und/oder schneller genesen, als Menschen die dies auf andere übertragen. Nun funktioniert das natürlich auch im kleinen, wie bei so einer popeligen Sportverletzung.

Was soll das nun bedeuten? Übernimm die Verantwortung für deinen Körper, deine Bewegungsabläufe, deinen Alltag. Keiner von uns kann zu 100% über sich selbst bestimmen. Deswegen heißt das aber noch lange nicht, dass wir uns bestimmen lassen sollten.

Bewegst du dich an sportfreien Tage zu wenig? Das kannst Du nur selbst ändern! Keine Zeit für 15 Minuten Dehnübungen am Morgen? Steh‘ 20 Minuten früher auf! Dein Physiotherapeut zeigt Dir Übungen, aber es verbessert sich nichts? Nimm Sie in Deinen Alltag mit auf!

Trage die Verantwortung nicht nur für andere, für den Job, für Geld … trage auch die Verantwortung für dein Hobby, für deinen Körper.

Das und noch viel mehr kann, darf und sollte man lernen. Lernen aus den eigenen Fehlern, lernen aus Dingen die man noch nicht kannte. Lernen es noch besser zu machen. Das ganze ist eine offene Sammlung – und für jeden gehört ein anderer Baustein mit hinein. Aber an diesen Veränderungen kann jeder von uns wachsen und für die Zukunft Dinge besser machen.

Das irgendwann niemand mehr verletzt sein wird ist unrealistisch, aber man kann diese dämliche Situation annehmen, man kann neues schaffen und so stark zurückkommen wie noch nie!

Bilder:
Couch by emdot  – CC BY 2.0 Licence
Treppen by Matthias Uhlig – CC BY 2.0 Licence
Affen by Nams82 – CC BY 2.0 Licence
Kreuzung by Umberto Nicoletti – CC BY-SA 2.0 Licence
Das Imperium by leg0fenris – CC BY-NC-ND 2.0 Licence

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