Stadtmarketing ist manchmal schon eine komische Sache. Da toben sich Agenturen, Ämter und Bürgermeister aus – lassen ihrer Kreativität freien lauf und drucken das Ergebnis dann auf ein unschön braunes Schild am Rande der Autobahn. Wer die A9 von Süden nach Norden befährt (oder anders herum) wird irgendwann an Hof an der Saale vorbeikommen die sich „Park & See“ auf das braune Schildchen geschrieben haben. Da ist man international und dennoch der Stadt verbunden – parken und angucken und zwar den Park (inklusive botanischen Garten) und einen wunderbaren See im Naherholungsgebiet.
Kein Wunder, dass man den lokalen Lauf auch Park & See Lauf nennt – der 21,1km lange Hauptlauf hält dann auch gleich, was der Name verspricht. Er verbindet die beiden Seiten der Stadt und führt vom Theresienstein zum Untreusee und zurück. Wer – so wie ich – nur die 10km-Volkslaufdistanz wählt absolviert dabei eher einen Park & Saale-Lauf.
7. Park & See Lauf Hof – das Drumherum
Den Park & See Lauf kannte ich schon letztes Jahr, habe mich aber von der orangen Gefahr verleiten lassen und bin lieber mit vielen vielen anderen in Nürnberg beim Stadtlauf gestartet. Dort habe ich im Vergleich zu dem Hofer Starterfeld 2013 um einiges besser abgeschnitten. Im Jahr 2014 bin ich aber um einiges besser trainiert und seelisch deutlich gefestigter, weswegen ich auf der Suche nach einem 10er in der Vorbereitung auf den Halbmarathon in Dresden dem kleinen aber feinen Park & See Lauf den Vorzug gegeben habe.
Reden wir doch mal übers Geld – beim Stadtlauf hätte ich knapp 30 EUR hingeblättert, hätte dafür ein weiteres orangenes Shirt im Schrank gehabt und wäre mit ca. 6tsd. anderen gelaufen. In Hof lief ich mit 175 anderen die 10 Kilometer für 8 EUR. Das Shirt hätte es für 12 EUR dazu gegeben.
Aber es geht ja nicht nur ums Geld – gestartet wird am städtischen Eisteich. Vor Ort gibt es also ein Sportheim inklusive Toiletten, Umkleiden und Duschen. Auf dem Gelände gab es Getränke, Kuchen und Bratwurst sowie Sitzgelegenheiten. Die Startnummernausgabe war schnell erledigt – es gab nur eine Tüte mit Nummer drei Flyer und dem Chip… aber hey … wir reden wir von 8 (!) Euro UND Netto-Chipzeitmessung!
Ein weiteres Plus – das lobe ich immer und überall, wo es mir widerfährt: es gab vor dem Start schon etwas zu trinken. Obwohl einige harte Volksläufer bereits vor dem Start ein alkoholfreies Weizenbier gezischt haben… das habe ich mir für später aufgehoben. Daran hätte ich sowieso nicht lange Freude gehabt.
Die Anfahrt ist gut machbar – die Parksituation hätte etwas besser sein können. Der Lauf hat dieses Jahr – soweit ich das mitbekommen habe – einen neuen Melderekord erreicht, mit etwas Ortskenntnis ist es aber machbar einen Parkplatz zu finden. Allerdings muss man schon gut aufpassen, da oberfränkische Rentnerinnen ihre Einfahren renitent zu verteidigen wissen!
„Da ist einer der Schnellen“
Vor dem Start ist nach dem Einlaufen. Während die Halbmarathonläufer auf die Strecke gehen, stehe ich in der Menge und gucke mich um. Ich beschließe noch eine Runde mit zwei Steigerungen zu laufen und trotte danach langsam wieder in Richtung der Bierzeltgarnituren. Dann geschieht etwas… von dem ich nie dachte, dass das überhaupt passieren kann. Zwei Damen gehen an mir vorüber, gucken mich aus dem Augenwinkel an – danach die eine zur anderen „Ach, das ist einer von den Schnellen“. Obwohl ich mich genau umgesehen habe… nirgendwo eine versteckte Kamera zu sehen.
Das Starterfeld ist natürlich überschaubar, wegen der Chipzeitmessung mache ich mir nicht viel Gedanken (hätte ich mal!) und reihe mich mal wieder zu weit hinten ein. Vor allem die fehlende Streckenkenntnis hat mich hier verleitet. Nach dem Startschuß geht es in einer 90° Kurve raus aus dem Stadion und auf einem relativ schmalen Weg weiter. Hier verliere ich doch etwas Zeit und muss warten, bis ich über eine Wiese auf den angepeilten 4:30er Schnitt steigern kann.
Schon nach wenigen Metern begrüßt mich meine Familie, die heute erstklassige Fan-Arbeit leistet. Meine Frau schießt tolle Bilder, mein Sohn feuert mit seiner Trillerpfeife weit hörbar einfach alle an und mein Vater beaufsichtigt die beiden dabei.
Natürlich war ich vorher wieder mit dem Rad unterwegs – natürlich habe ich es dabei übertrieben und am Vortag erst mal mit der Blackroll alles was eine Oberschenkelmuskulatur ist traktiert. Natürlich habe ich mich wieder nicht ordentlich aufgewärmt und die kleine Einheit von 2-3km am Vortag habe ich auch weggelassen. Ich laufe den 10er hier komplett aus dem Training mit nur einem einzigen Ruhetag nach dem Maintal-Trail.
Genau so fühlt sich auch anfangs alles an. Die Beine sind nicht locker, der Puls knallt schnell nach oben und als der erste Kilometer gleich mit ein paar Höhenmetern durch geht will sich schon der Kopf einmischen. Allerdings hat der heute Pause – ich habe ein Motto ausgegeben: „All in – or nothing“ … wenn ich einbreche und leide, dann soll es so sein. Das scheint meinen Kopf zu überzeugen.
Letztlich ist die Strecke nicht wirklich dafür geeignet straight durchzulaufen, das Streckenprofil ist recht unruhig. Direkt nach einer kurzen Runde um den nahen Teich geht es wieder am Stadion vorbei, etwas Zick-Zack, über Kopfsteinpflaster und wieder ums Eck. Dabei bleibe ich ein zwei drei Leuten dran. Zu diesem Zeitpunkt bin ich im Race-Mode. Hirn aus – Beine an! Es geht direkt in die Innenstadt, d.h. allerdings es geht bergauf. Ich laufe mit einem anderen Läufer und schließe auf, überhole eine Gruppe und halte konstant mein Tempo. Die ganze Berg-, Hügel-, Traillauferei zahlt sich hier jedes mal aus.
Oben angekommen geht es zwischen vielen Zuschauern durch die Fußgängerzone. Ich nutze die Gelegenheit zum verschnaufen, der Magen meldet mal wieder, was er von zu viel Laktat im Körper hält. Zum Glück geht es gleich wieder bergab. Auch hier lasse ich meinen inneren Trailläufer von der Leine. Während alle konstant weiter laufen, löse ich die Handbremse und beschleunige kräftig obwohl es hier Kopfsteinpflaster hat. Zwei scharfe 90° Kurven nehme ich locker, dann geht es nochmals eine Rampe runter. Man kann die Strecke einsehen, also lasse ich es laufen … die Blicke der Zuschauer waren leicht entsetzt … und wäre ich gestolpert, wäre das Rennen vorbei gewesen… in meinem Kopfkino hat es auf jeden Fall mächtig cool ausgesehen wie ich mit Vollgas um die Spitzkehre geschossen bin.
Damit hatte ich erst mal alle Läufer hinter mir gelassen – vor mir erst mal keiner zu sehen. Weiter ging es über eine Brücke, wieder 90° Kurve und auf einem Schotterweg an der Saale entlang, eine Rampe hoch und weiter gekurvt. Wie schon gesagt, Rhythmus war hier kaum zu finden. Das folgende Stück ist lang, eben und auch ein Teil der Wendestrecke. Obwohl das Hirn noch aus ist, bemerke ich, dass mir immer noch nicht der Erste entgegen gekommen ist … vielleicht 200 Meter vor der Wendestelle kommt mir der Erste entgegen. Das Blut im Kopf reicht für einen Gedanken: „Ich hoffe ich sehe beim Laufen nicht so aus wie er!“.
Auf dem Weg dahin konnte ich einen weiteren Läufer überholen und bei der Wende auf den nächsten aufschließen. Etwas weiter vorne sehe ich schon die ganze Zeit das Fahrrad der Begleitung der führenden Frau. Mit diesem Ziel vor Augen geht es nur noch 3 Kilometer zurück. Die Möglichkeit das Tempo zu verschärfen ist quasi unmöglich – ich ringe mit Übelkeit und bin mehr mit dem Kopf anstatt den Beinen beschäftigt.
Es geht wieder Zick-Zack zurück, wieder an der Saale entlang, über eine Brücke und über Kopfsteinpflaster zurück Richtung Ziel. Nachdem ich ein paar Meter den Druck reduziert habe nehme ich nochmals Fahrt auf. Die erste Frau scheint Tempo zu verlieren, also setze ich an und ziehe los. Ich höre schon die Trillerpfeife meines Sohnes und quäle mich so gut es geht. Hinter mir höre ich Schritte – letztlich bin ich aber damit beschäftigt mich und meinen Mageninhalt über die Ziellinie zu retten.
Ich werde noch überlaufen, stürme über die Ziellinie … taumle ein paar Meter, schnappe mir ein alkoholfreies Weizen und muss mich erst mal hinsetzen und durchatmen. Meine Uhr zeigt 44 Minuten und ein paar Sekunden, aber vor allem nur 9,8km. Mein Hauptziel (Sub45) habe ich irgendwie erreicht, selbst wenn die Strecke kürzer wäre – durch die Höhenmeter passt es dann doch wieder zusammen.
Mein Fazit zum Park & See Lauf
Die Zielverpflegung ist richtig toll, neben dem Weizen stehen mehrere Körbe Kuchen bereit, zudem gibt es Iso, Wasser, Bananen und was weiss ich nicht alles. Für so einen kleinen Lauf kann man sich wirklich nicht beschweren.
Die Duschen haben warmes Wasser, es gibt ausreichend Sitzplätze und Essen und Trinken. Wir sitzen noch etwas in der Sonne und genieße das wunderbare Gefühl, dass sich in mir breit macht und den Rennstreß ablöst.
Ich habe aus dem Training heraus mein Ziel erreicht und bin gefühlt unter den Top 30 eingelaufen, meine Familie hatte ihren Spaß und das Wetter war toll. Die Strecke ist durchwachse, aber keineswegs ein Grund den Lauf abzuwerten. Ein toller kleiner Lauf – sicher auch auf der Halbmarathon-Distanz.
Letztlich der perfekte Laufsport-Tag … Läuferherz was willst du mehr!
Nachspiel
Laufseelig und zufrieden mache ich mit meinem Sohn noch ein Wettrennen zum Auto und fahre zu meinen Eltern um dort mehrere Kilogramm frischen Apfelstrudel zu verdrücken. Hin und wieder checke ich das Smartphone, aber von den Ergebnislisten nichts zu sehen.
Als die Mail ankommt und ich klicke, bin ich wie vom Blitz getroffen. Ich bin nicht in den Top 30 eingelaufen, sondern habe Platz 12 von 111 Männern. Mit einer 44er Zeit ist das schon ein Wort – klar es ist ein Volkslauf, klar die meisten Leistungsläufer laufen Halbmarathon … dennoch auch in einem schlecht besetzten Lauf gibt es Sieger und Alterklassen platzierte.
Nachdem ich auf die AK-Platzierung geklickt habe, kippe ich allerdings fast um. Ich bin tatsächlich zweiter in der M30. Bei einem 10er bedeutet das normalerweise eine recht niedrige 3Xer-Zeit, aber mit 44:21 ist das hier und heute in Hof wahr geworden.
Wie der Mensch eben so ist, wird aus der Freude über den perfekten Tag innerhalb von 2 Sekunden ein kurzer Frust, nämlich über die zwei Sekunden die ich hinter dem zweiten lag. Der Erstplatzierte hat mich nämlich direkt in der Zielgeraden überlaufen – die zwei Sekunden hat er mir also direkt abgenommen. Also ärgere ich mich erst mal eine halbe Stunde lang, dass ich den ersten Alterklassensieg meiner „Laufkarriere“ vergeigt habe.
Nach etwas Bedenkzeit ist aber alles wieder in Ordnung – die Sonne scheint wieder aus dem Läuferherz und ich bin mächtig stolz. Manchmal reicht es eben auch zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.
Richtiger Platz, richtiger Ort – zwei Wochen vor meinem Herbsthighlight läuft es wieder richtig gut. Die Form steigt wieder an, das Training läuft, die Ergebnisse sprechen für sich. Für Dresden bedeutet das Ergebnis des Park & See Lauf, dass 1:39:59 möglich sind … vielleicht nicht absolut realistisch, aber möglich! In zwei Wochen gilt es also nochmals … all in – or nothing!