Die Bücherregale von Läufern sind in der Regel gut gefüllt. Meist findet man dort die großen Namen. Steffny, Greif oder Marquart und ihre Standardwerke zum Laufen, in denen es hauptsächlich im Trainingsplanung geht. Der Name Kelly Starrett ist da wohl eher selten zu finden. Wenn überhaupt dürfte der Physiotherapeut und Cross-Fit Pionier mit seinem Buch mit dem wunderschönen Titel „Werde ein geschmeidiger Leopard“ bekannt sein. Mit Ready to Run hat er aber auch ein laufspezifisches Buch am Start – sogar eines, dass es so meines Wissens, noch nicht gegeben hat.
Ready to Run oder nicht noch ein Laufbuch? 08/15 Motivationsschinken oder neues Standardwerk?
In der Cross-Fit Szene ist Kelly Starrett kein unbeschriebenes Blatt. Er trainiert Olympiasieger, NFL-Spieler, CrossFitter, Tour de France Teilnehmer und noch viele mehr. Hauptsächlich tut er das in seinem Cross-Fit Studio in San Francisco. Allerdings hat er auch seine Liebe zum Laufen entdeckt … oder sollte man eher Hassliebe sagen? Er war wohl nicht wirklich glücklich mit dem, was er erlebt hat – was dazu geführt hat einen ganz anderen Ansatz zum Laufsport zu finden.
Nun stellt man sich vielleicht die Frage – brauche ich noch ein Laufbuch … oder … ist das nicht wieder einer dieser Motivationsschinken im amerikanischen Stil? Die erste Frage lässt sich einfach beantworten, es ist kein wirkliches Laufbuch. Wer in Ready to Run Trainingspläne für die typischen Distanzen sucht … der sucht vergebens. Einsteigertipps? Gibt’s nicht! Hinweise zur Auswahl der richtigen Schuhe? Ja, das ist vorhanden – aber sicher anders, als manche erwarten würden.
Das Buch beginnt mit einem flammenden Plädoyer, dass der Mensch ein Läufer ist und Kelly Starret hat das ganze Buch so aufgebaut, dass man über verschiedene Ebenen daran herangeführt wird. Einige werden sicher hier schon leicht nicken.
Und Punkt zwei? Es ist auch kein typisches Ratgeberbuch. Letztlich ist es ein amerikanischer Autor, der ein amerikanisch geprägtes Buch schreibt. So ganz ohne die große Motivationsmasche geht es auch in Ready to Run nicht zu, aber es bleibt ein Randthema. Das Buch ist einfach zu vollgepackt mit unterschiedlichen Ansätzen und Möglichkeiten. Die einzelnen Bausteine fügen sich ineinander und regelmäßige Rekapitulation des „gelernten“ gehört auch dazu. Ich fand es dennoch flüssig zu lesen, denn normalerweise reagiere ich auf den Motivations-Sprech allergisch.
Was man diesem Buch (wie auch dem ein oder anderen aus dem Laufbereich) anmerkt, sind die Partnerschaften, die im Hintergrund geknüpft sind. Es werden einige Markenprodukte und auch sehr spezielle Produkte empfohlen, im Buch liegt ein Werbeflyer und die Fotos beinhalten gut sichtbare Marken. Es soll aber nicht unerwähnt bleiben, dass zu den Trainingstools dennoch Alternativen genannt werden.
Was macht Ready to Run anders?
Beginnen wird doch mit dieser Fragestellung. Kurz gefasst hat das Buch eine andere Perspektive. Die großen Laufbücher am Markt versuchen alles zu sein: Einsteigerbuch, Trainingsbuch, etwas Ernährung hier, etwas Lauf-ABC dort. Sie bedienen eine große Anzahl an potenziellen Lesern/Läufern; bieten aber kaum Ansatzpunkte was passiert, wenn es zwickt oder kneift.
Vielleicht kennt jemand die Auto Bücher der Serien „Jetzt helfe ich mir selbst“? Ready to Run ist so etwas wie das Laufpendant dazu, ein Läufer-Wartungsbuch.
Das Buch gliedert sich in vier Teile. Neben der oben erwähnten Einleitung umfasst der Hauptteil die Definition von 12 sogenannten Standards. Ergänzt werden die Standards im dritten Teil von einer Einführung in die Mobilisierung. Zu guter Letzt findet man noch einen kurzen Abriss über die häufigsten Laufverletzungen und deren Ansätze zur Lösung nach Kellys Strategie.
Die 12 Gebote für Läufer
In Ready to Run werden dabei keine neuen revolutionären Ansätze gefunden, viel mehr gibt Kelly Starrett den einzelnen Grundlagen, die man seiner Meinung nach erreichen sollte, ausreichend Raum. Jeder Standard hat eine Grundlage, die ausführlich erläutert wird. Neben eventuellen Auswirkungen auf den Laufstil werden – wo notwendig alle Übungen oder Bewegungstests mit positiven und negativen Bildbeispielen gezeigt.
Darüber hinaus sind einige Standards auch mit der Rubrik „Von Läufer zu Läufer“ durch T.J Murphy ergänzt, die nochmals einen eher subjektiven Blick auf die Inhalte des jeweiligen Standards werfen.
Dabei hangelt sich Ready to Run von absoluten Basics wie der „Pflicht“ zum Auf- und Abwärmen bei jedem Training über sehr grundlegende Dinge, wie die Wahl eines möglichst flachen Schuhwerks, bis zu den üblichen Baustellen (verletzter) Läufer – Hüftstrecker- und -beuger, Sprunggelenksmobilität oder eine neutrale Fußstellung.
Das schöne an den einzelnen Standards ist, dass sicher jeder Läufer schnell etwas findet, was er schon tut (das motiviert) aber auch Dinge, die einfach gar nicht so klappen. Genau dort setzt auch der weitere Teil des Buchs an. Immerhin hätte man keinen Grund mehr es fertig zu lesen – wer verletzt ist und dennoch alle Standards erfüllt, wird nicht viel Neues lernen.
Durch die breit gefächerten Standards gibt es aber ausreichend Verbesserungsmöglichkeiten, zudem ist jeder Standard auch ein Ansatzpunkt für einen regelmäßigen Check, ob man als Läufer noch auf der richtigen Fährte ist.
Mobilisationsübungen – 50 Shades of Au
Einige der Standards aus Teil 2 lassen sich durch regelmäßiges Wiederholen und dem Einführen neuer Gewohnheiten erfüllen. Manche Probleme sind aber das Ergebnis eines schlechten Bewegungszustandes. Hier kommt der dritte Teil ins Spiel, in denen Kelly Starrett einen in die Welt der Physiotherapie für Zuhause einführt. Zu jedem Standard ist angegeben, welche Mobilisierungsübungen sinnvoll sind, im dritten Teil sind diese ausführlich beschrieben und erklärt.
In diesem Bereich sind die Bilder, durch die große Anzahl pro Seite, leider etwas klein (und dunkel) geraten. Nicht in allen Bereichen ist das problematisch, allerdings sollte man für alle Übungen eindeutig den Text dazu nochmals lesen. Manche Übungen sind auch schwer mit einem Foto allein zu beschreiben, da nur sehr wenig Bewegung ausgeführt wird.
Letztlich gibt es viele Bilder und eine umfangreiche Beschreibung pro Mobilisierungsübung. Wer sich nur mit diesem Bereich beschäftigt, muss allerdings auch hin und wieder nach vorne blättern. Wer wissen will wofür (oder wogegen) eine Übung hilft, wird in diesem Bereich nicht fündig.
Neben einer gezielten Mobilisierung findet man am Ende auch einen 28-Tage-Trainingsplan, der die typischen Übungen zusammenfasst bzw. einen zu mobilisierenden Bereich hervorhebt. Das Ganze orientiert sich am gesamten Prinzip der 12 Standards, dass es neben der „keine Ruhetage“ Strategie auch regelmäßiger Übung bedarf um Dinge zur Gewohnheit werden zu lassen.
Abschließend findet man noch Ansatzpunkte für die typischen Sportverletzungen, die wir Läufer kennen (die da wären ITBS, Plantarfasziitis, Schienbeinkantensyndrom usw.). Das ganze Buch schließt mit einem Fazit, das mir sehr gefällt. Es möchte den Leser bereit und aufmerksam für seinen Körper machen und bietet damit gleichzeitig den Ansatzpunkt als kompetenter Patient bei Ärzten und Therapeuten vorstellig zu werden – unter anderem auch mit dem Ziel schneller gemeinsam voranzukommen.
Mein Fazit
Meiner Meinung nach gehört Ready to Run in jedes Bücherregal, wenn man leistungsorientierten Laufsport betreibt oder häufig an unklaren Schmerzen und Problemchen laboriert. Das Buch gibt einen kleinen Einblick in die Welt der Körpermechanik, bietet aber nicht die Tiefe des „Leoparden“.
Sollte ein Läufer vor der Entscheidung zwischen „Ready to Run“ und „Werde ein geschmeidiger Leopard“ stehen, dann rate ich ganz klar zu Ready to Run. Es ist laufspezifischer, es ist handlicher, es ist kürzer und absolut fokussiert auf das, was den Laufsportler interessiert. Wer bereits das Leopardenbuch besitzt, wird zudem auch nicht enttäuscht. Bei diesem Buch handelt es sich nicht um einen einfachen Spin-Off. Es gibt selbstverständlich Bereiche die sich doppeln, die Quintessenz des Buches sind allerdings die 12 Standards, die man so nur in Ready to Run findet.
Ich persönlich würde die gedruckte Version empfehlen. Zum einen ist es qualitativ sehr schön aufgemacht, zum anderen sollte das Buch an der ein oder anderen Stelle auch im Training eingesetzt werden, das ist in der Papierversion eindeutig praktischer.
Für mich ist Ready to Run ein Standardwerk und kann die eigene Beziehung zu der Art und Weise, wie man als Läufer mit seinem Körper umgeht, ändern. Selbst wenn man damit nicht alle Laufverletzungen heilen oder vermeiden kann, es bietet eine Vielzahl an Denkansätzen, die vor allem gestressten Ausdauersportlern, die ihr Programm nach Familie und Job abspulen helfen kann.
Ready to Run – Entfessle dein natürliches Laufpotenzial von Kelly Starrett und T.J. Murphy, 288 Seiten
erschienen im riva Verlag, Kostenpunkt 24,99 EUR
kostenlose Leseprobe
Für die Transparenz. Das Buch wurde mir von der Muenchener Verlagsgruppe GmbH / riva Verlag als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Die Gestaltung des Beitrages spiegelt meine eigene Meinung wieder, es gab keinerlei Vorgaben und Einfluss auf den Artikel.
Ich weiß gar nicht warum ich immer wieder gezögert hatte mir dieses oder das andere Buch zuzulegen. Ich denke nach deiner Rezession wird es nicht mehr lange dauern, auch aus dem Grund das ich bei Verletzungen und Wehwehchen immer laut „HIER“ schreie.
Danke dafür :)
Beim Leoparden kann ich es verstehen, es kostet ziemlich viel Geld und keiner weiß wirklich was hinter dem Titel steckt.
Ready to Run ist natürlich auch schon vom Titel her dick aufgetragen (dafür fehlt dem Buch nämlich das was die großen Schinken der bekannten Läufer so bieten) – aber der Untertitel kommt gut hin, ob verletzt oder nicht – es gibt bei vielen von uns sicher genug Potenzial zu entfalten.
Ich bin ehrlich, mir hat es bisher nichts hinsichtlich meiner Verletzung gebracht, allerdings habe ich einige Baustellen beseitigt, die mich im Alltag behindert haben. Zudem gefällt mir einfach der Hintergedanke selbst mehr Verantwortung zu übernehmen. Für Dich.. Kauftipp :-)
Hat mir richtig Lust auf dieses Buch gemacht. Bin am überlegen…
Das freut mich – einfach mal gucken ob Du reinblättern kannst. Die Leseprobe die ich verlinkt habe ist leider nicht so aussagekräftig, da sie den einleitenden Teil beinhaltet.
Ich hatte das Buch schon vor längerer Zeit irgendwo in meiner Twitter-Timeline gesehen und es hat mich da überhaupt nicht angesprochen. Kurz vor Weihnachten hatte ich es dann im Buchladen in der Hand und musste es mitnehmen. Ich finde die Inhalte sehr relevant und wertvoll für Läufer – auch wenn man sicherlich nicht alles davon umsetzen wird. Aber allein schon das Wissen darum und die Auseinandersetzung damit machen das Buch zu einer lohnenden Investition.
So ist es ja mit den meisten Büchern, wer kann schon die Running Formula wirklich auf sein Training anwenden. Deswegen auch mein Hinweis auf die Idee dahinter, die das ganze so spannend macht. Viele kaufen das Buch ja wenn es „zu spät“ ist (wie ich) – vielleicht finden sich ja tatsächlich ein paar Leute die das Buch im fiten Zustand kaufen und mit der ein oder anderen Anregung die nächste Verletzung vermeiden oder abschwächen können.
OMG!!
Ich habe eben zum ersten Mal diese Couch Stretch Übung gemacht. ICH STERBE! :D
Das Buch ist genial, übrigens.
Du meinst es mit den Experimenten ernst ;-)
Spannend fand ich bei den Übungen wie schnell man spürbare Erfolge erzielen kann.