Was „wir“ schon alles waren. Weltmeister oder Papst, deswegen verkünde ich voller Stolz … Wir sind Netz!
Also mit wir meine ich natürlich teilweise mich, im besonderen meine rechte Leistengegend. Die ist nämlich ab sofort Netz. Oder hat Netz. Die Operationsmethode für die weiche Leiste (weltmännisch auch Sportsmen’s hernia genannt) bietet aber auch genügend Potential für schlechte Witze, immerhin wird dort wo die Leiste weich ist bzw. gebrochen ein Netz eingedremelt … oder so.
Aber warum schreibe ich jetzt im Netz von Netzen in Leisten?
Ganz einfach, weil ich Vollzug melde. Am gestrigen Mittwoch war es so weit, gestern war hoffentlich der erste Tag vom Rest meines Läuferlebens und der letzte am Ende von etwas, dass ich beinahe schon Odyssee nennen muss.
Hüftschmerzen, Rückenschmerzen, ISG-Beschwerden, Adduktorenschmerzen und am Ende dann wirklich die Leiste. Wehgetan hat so ziemlich alles, was man rechtsseitig braucht um irgendwelche Bewegungen auszuführen … vor allem im Laufschritt und danach, ohne Laufen war erstmal Ruhe. Dazu kam noch die ein oder andere Verspannung und Fehlbelastung aufgrund Schonhaltung. Das ist die Kurzversion die man – wenn man nur ausreichend lang zurück blättert – hier in den letzten 9 Monaten lesen kann.
In 9 Monaten bekommen manche ein Kind – ich bekam erstmal Probleme im Alltag, wenig hilfreiche Aussagen von Ärzten und eine Physiotherapie. Half alles nichts, also bekam ich von mir eine Pause, die immer länger wurde und andere Probleme. Ich besuchte viele Wartezimmerfußböden und zähle in den letzten 9 Monaten so viele Arztbesuche wie in den letzten 9 Jahren zuvor. Grob geschätzt etwas mehr 500 EUR hat mich das ganze gekostet, dazu gehören u.a. Selbstbehalte, Stornokosten für Wettkämpfe, Osteopathie und auch Einlagen.
Nachdem ich im Februar die Diagnose „weiche Leiste“ bekam, war ich erstmal froh, dann verwirrt, dann verärgert und am Ende so trotzig, dass ich erst mal an was anderes glauben wollte … so lange bis vor ca. 5 Wochen der Schmerz bei einer Radausfahrt im Wiegetritt kam. Dort wo ich mich sicher wähnte, beim Radfahren war er plötzlich da, gelaufen bin ich da schon Wochenlang nicht mehr.
3 Tage später lag ich mit der härtesten Erkältung seit Jahren flach und grübelte darüber, wie ich mit mir umgehen sollte und was mir mein Körper sagen möchte. Zwei Tage später hatte ich einen Termin und nochmal 2 später war im Job Bescheid gegeben.
Natürlich hab ich gegrübelt, ob alles so richtig ist. Man kennt das ja, man hat alle Berichte im Internet gelesen. Wikipedia, Arztseiten hier und da. Überall widerspricht irgendjemand irgendwas, also hieß es vertrauen. In den Arzt … und letztlich in mein Körpergefühl. Beim Brötchen holen laufe ich gerne mit meinem Sohn um die Wette … unter anderem auch um mich zu versichern, ob Laufen immer noch weh tut.
Ich habe die lange Zeit auch deswegen gegrübelt, weil ich mich gefragt habe, ob ich mich operieren lassen will um kein Gesundheitsrisiko zu haben (das war in meinem Fall sehr gering) oder weil ich wieder laufen wollte. Wir reden ja hier nicht von einem Eingriff unter Lokalanästhesie sondern Vollnarkose. Meine Frage kreiste oft, bin ich bereit dazu dieses „Opfer“ zu bringen.
Glücklicherweise signalisierte mein Körper aber auch an anderen Stellen, dass er doof findet was ich mache. Wenn ich bspw. 4h im Auto sitze oder 1,5h spazieren gehe. Dennoch … der Auslöser ist der Sport.
Auch wenn es nicht alltäglich ist, war ich die letzten Tage dennoch sehr locker. Hier und da mal ein paar Gedanken, aber ich war fokussiert. Wenn ich eine Entscheidung treffe stehe ich dazu und die Entscheidung war getroffen.
In der Nacht vor der OP war ich noch ziemlich locker und habe mir ein Mantra vorgesagt, dass mich begleitet hat die letzten Monate. In der Ruhe liegt die Kraft. Für meine Verhältnisse war ich gar nich so aufgeregt als es dann los ging.
Obwohl … so viel passiert ja auch nicht. Viel warten und herumliegen … und … meine Vorurteile über Anästhesisten wurden auch wieder von dem anwesenden bestätigt. Sie quasseln ständig irgendwelches Zeug (ich vermute die zweigen sich selbst den Stoff für den hausgebrauch ab).
Irgendwann später wacht man auf, aua aua … etwas Beobachten und ca. 3,5h nachdem mich meine Frau abgeliefert hat darf ich wieder nach Hause.
Ab jetzt hab ich immer Netz, auch wenn ca. 75% davon irgendwann abgebaut werden. Ich hab in den OP-Bericht gelinst, macht alles Sinn für mich. Seitdem ich wieder aus der Narkose aufgewacht bin, fühle ich mich tatsächlich anders… weil ich es endlich getan habe und weil ich das Gefühl habe, das richtige gemacht zu haben.
Gefühle sind ja so ein Ding … klappt nicht immer … lt. Gefühl bin ich ja auch erstmal immer mehr in die Schmerzen reingelaufen, aber das fühlt sich gut an. Auch mental.
Ich habe die letzten Tage das Imagevideo des Berlin Marathon angesehen, immer und immer wieder … ich sagte es schon früh in der Verletzungsproblematik. Wenn ich alles streichen muss, aber Berlin bleibt mein einziges Laufziel dieses Jahr. Nun sind die Hoffnungen wieder da, ganz ohne Zielzeit, sondern auf Ankommen, nach 9 Monaten Pause … aber sie sind greifbar.
Ich fühle mich zwar wie ein Opi und bewege mich auch so, aber auf dem Merkblatt des Arztes stand folgendes
Auch der Arzt sagte es in der Vorbesprechung zweimal, nach 14 Tagen ist leichtes Jogging möglich. Das ist jetzt natürlich einfach so eine Zahl, aber lassen wir es statt 14 eben 17 sein oder 21 … ganz egal, aber ich habe wieder einen Grund anzufangen … und hoffentlich keinen mehr dann wieder aufzuhören.
Es fühlt sich einfach gut an … und – so blöd es klingt – allein der heutige Tag hat mehr für mein Seelenheil getan, als die letzten Monate es konnten. Ich bin sportlich voller Hoffnung, ich habe Zeit für mich und habe die Sonne, Musik, Kaffee und Schokolade genossen.
Ich hab einfach mal wieder was für mich getan, so wie es vorher das Laufen war … so eben jetzt die Erholung. Das tut gut, das heilt zusätzlich und markiert für mich den richtigen Weg.
An dieser Stelle möchte ich übrigens gleich noch etwas loswerden. Ich bin einfach baff, wie viel Feedback ich von meiner Timeline bekomme habe … und nicht nur schnell dahingetippte Wünsche, sondern ganz ehrlich und ernst gemeinste Tweets, Nachrichten, Whatsapps & Co. … das ist genau das was auch Chris mit seiner Hommage beschreibt, das was diese Bekloppten Wettkämpfe und das ganze Brimborium ausmacht. Keine Instagram arrangierten Kack-Bowls, keine fein säuberlich retuschierten Selfies für den letzten Klick und keine durchgesponsorten Youtube-Videos… nee, da twittern einfach Menschen über etwas das sie verbindet. Sie treffen sich, setzen sich wie alte Freunde an den Tisch und lachen gemeinsam. Sie machen sich Sorgen über andere und reden sich gut zu … eben das, was echte Menschen so machen. Das ist toll! Vielen Dank – ihr seid spitze!
Ach ja … und manche Menschen schicken zur guten Besserung sogar Schokolade. <3 Danke nochmals Daniel.
Herzlichen Glückwunsch zum Vollzug! Wenn ich daran denke, wie lange ich schon Zahnarzt-Termine aufschiebe, will ich gar nicht wissen, wie lange ich mich vor einer Vollnarkose-OP gedrückt hätte. Deshalb: Großer Respekt.Ich bin mir sicher, dass Deine mutige Entscheidung belohnt wird. Mit schmerzfreier Lieblingssportausübung. :-)
Danke Dir – wobei ich mich ja schon Februar für April auch gedrückt habe. Zwar mir „Erlaubnis“, denn der Osteopath meinte es könnte nie eine weiche Leiste sein, sonst hätte ich den Berlin Marathon nicht laufen können (haha) … aber dennoch bin ich auch der Typ, der kurz vor Jahresende noch zum Zahnarzt geht, nur um noch den Stempel zu bekommen.
Andererseits ist es aber auch gut, sich nicht sofort und wegen jedem Mist operieren zu lassen … aber irgendwann will die Entscheidung eben getroffen sein.
Es ist schön zu lesen, dass du es nun hinter dich gebracht hast. Ich wünsche dir, dass es bald aufwärts geht und du langsam, also langsam, ich sag noch mal langsam wieder durchstarten kannst. Behalte immer schön dein Ziel im Auge und wenn du dafür gehen musst, dann gehe einfach bis zu diesem Ziel. Alles Gute.
Laaangsam … L-A-N-G-S-A-M … ich bin bereit, so viel ist sicher.
Danke Dir für die Wünsche, das Ziel ist im Blick und es ist bei weitem nicht sicher, aber es ist machbar, das ist wichtig.
Nur die besten Wünsche: dass die Hoffnungen wahr werden und bald wieder ein Laufschritt möglich ist. Viel Erfolg!
Gratuliere zur OP – ich freue mich, dass du es hinter dir hast, jetzt geht’s aufwärts! :-)
Ich wünsche dir viel Erfolg beim Versuch, deine Sportlust (noch) im Zaum zu halten. :-)
Danke Dir, als vorausschauender Sportler habe ich mir natürlich die letzten Wochen konsequent jeglichen Sport abgewöhnt, damit ich nicht so schnell in Versuchung komme. Immer vorbereitet :-)
Lieber Daniel,
zwei Sachen:
Danke das du mich erwähnt hast
und Glückwunsch, das du Dich getraut hast, diesen Schritt zu gehen. Was vorher in dir los war, kann ich nicht nachvollziehen, aber diesen inneren Frieden nach diversen medizinischen Irrwegen schon. Ich will jetzt hier nicht meine Krankenakte darlegen, aber irgendwann gab mir eine themenfremde Ärztin den entscheidenen Tipp. Ich hoffe das auch du deiner Genesung und deinem Ziel einen großen bis gigantisichen Schritt weiter gekommen bist und das Licht am Ende des Tunnels siehst.
Und deinen latenten Aufruf, dir Schoki zu schicken habe ich zur Kenntnis genommen.
Hau rein!
Christian
Mist, ist mein neues Programm „Blog gegen Schoki“ tatsächlich so leicht enttarnt?!?!? Ich muss besser aufpassen.
Ansonsten natürlich herzlichen Dank für die Wünsche, wenn ich so große Worte lese frage ich mich natürlich schon, bin ich eine Drama Queen, habe ich die falschen Schwerpunkte. Ist das alles mein großes Ziel … also das Laufen? Ist das nicht furchtbar egoistisch.
Aber das ist wieder eine andere Frage … in dieser Beziehung lasse ich mich darauf reduzieren, denn ohne laufen hätte ich das nicht gemacht … und mit dem was mich der Sport die letzten Jahre gelehrt hat, auch nie in dieser Lässigkeit.
Nun heißt es endlich wieder … Geduld ist der schärfste Zahn des Tigers … und ich schärfe den, täglich!