Die Sache mit dem Fokus

Achtung, in diesem Blog gebe ich keine Tipps wie man besser fotografiert… und das ist auch gut so, denn das ist nicht meine Kernkompetenz. Aber genau darum geht es – also nicht Kernkomptenzen sondern Fokus.

Im Trailrunnersdogcast EP 17 gab es neben einem von Wildschweinverfolgungsjagd gepeinigten Sascha auch einen Gastschnauf von Flo – dem hochgeschätzten Paten der geschnauften Laufunterhaltung. Die beiden waren sich ziemlich einig, wie und was und wo so ein Ultratrailrunner seine Motivation herbekommt.

Dabei fiel unter anderem ein Satz, der wohl so ganz griffig ist. An Motivation und Lust auf einen Ultratrail mangelt es selten, sondern viel mehr an der Zeit.

Ja, so ist das wohl. Das war auch mein Grund, warum ich gesagt habe, das wäre nichts für mich. Das war auch ein Grund, warum ich lange keinen Marathon laufen wollte. Es ist grundsätzlich der entscheidende Faktor für und gegen alles. Als Kaufmann drücke ich es gerne so aus: Alles hat Kosten! Kosten selbstverständlich nicht im Sinne von Geld (obwohl es auch beim Laufen manchmal so ist) sondern im Sinne von Zeit, Mühe, Aufwand.

Gerade wir mittelalten Männer die sich mit dem Ausdauersport quälen haben selten ein Problem damit die Kröten für unseren Laufsport auszugeben. Man guckt ja dennoch recht mitleidig zu den Triathlon-Kollegen bei denen gefühlt ein 5-stelliger Betrag pro Triathlonsaison drauf gehen für laufende Kosten, vom Material ganz zu schweigen.

Die Währung die uns richtig Schmerzen bereitet ist Zeit. Davon haben wir stets zu wenig. Wobei das ja mal total falsch ist, denn natürlich hat jeder von uns genau die gleiche Zeit zur Verfügung. Man hat sich nun mal darauf geeinigt, dass ein Tag in 24 gleiche Einheiten geteilt wird und die wieder in 60 Untereinheiten. Man hat die Zeit, die etwas total subjektives ist, in ein objektives Maß gepresst und objektiv unterscheidet sich mein Tag nicht von Deinem. Immer gleich lang, gleich viele objektive Zeiteinheiten.

Einen „Wert“ bekommen sie für uns erst, wenn wir ihnen etwas zuordnen. Familie, Arbeit, Freizeit, Verpflichtungen – manche Dinge sind uns wichtiger andere Unwichtig. Für manche halten wir uns immer was frei, andere opfern wir.

Also Objektiv haben wir alle gleichviel Zeit für so ein Training, wie z.B. für einen Ultratrail. Objektiv kürzt sich hier und da ein, da sich Arbeitszeiten unterscheiden, aber dennoch – es bleibt noch ein guter Teil übrig der erst mal nicht verplant ist. Dann wollen wir schlafen (weil is gut für Regneration und so) und müssen für soziale Kontakte zum Partner/Familie auch noch Zeit reservieren wenn wir nicht bald in versifften Sportklamotten unter der Brücke wohnen wollen.

Und den Rest der Zeit teilen sich dann viele Kleinigkeiten und Großigkeiten des alltäglichen Lebens.

Nun bin ich selbst jemand, der der Meinung ist alles ginge, wenn man es nur wolle. Da ist auch etwas dran, diese Denkweise beinhaltet eine gewisse Einstellung sich und seinen Zielen gegenüber und auch eine gewisse schonungslosigkeit bei der Umsetzung von Zielen. Das kann man egoistisch tun (siehe „unter der Brücke wohnen“) oder auf Kosten seiner eigenen Ressourcen.

Bei mir gilt die zweite Option. Ich habe einen Strauß voller Anforderungen und bin Willens diese zu erreichen, ich stecke selten zurück und versuche meine Ziele zu erreichen. Der gefinishte ZUT Supertrail ist ein super Beispiel dafür. Das Training machte mir Spaß, da bin ich ganz bei Flo und Sascha, der Weg ist das Ziel – nicht das Ziel ist das Ziel. Aber ohne Ziel wäre ich nie diesen Weg gegangen. Dafür bin ich zu bequem.

Wenn ich erst einmal so einen Weg bestreite ändert sich meine Perspektive oft. Ich sehe auch hier den Weg als das Ziel und habe viel Freude in dem Training gefunden. Sehr viel mehr als in vielen Dingen die ich vorher getan habe. Dafür habe ich etwas zurückstecken müssen, was mir auch wichtig ist – radfahren – aber das war der Preis den ich bereit war zu bezahlen. Das kann ich jetzt korrigieren und letztlich hätte ich das auch in meinen Plan integrieren können – aber ich wollte nicht, ich wollte den Fokus auf das Ziel (den Weg!) haben … und es hat geklappt.

Auch mit meiner Frau hatte ich einen ähnlichen Deal, Sie hat mich Unterstützt im Wissen, dass ich das Training so familienfreundlich wie möglich gestalte. Viele Bergeinheiten auf Dienstreise, Läufe zu den passenden Zeiten und Flexibilität im Trainingsplan um Termine und Familienfeiern einhalten zu können. Auch hier musste der Fokus gesetzt sein aber auch hier hatte ich manchen Preis zu bezahlen, manche Einheit habe ich ausfallen lassen, andere konnte ich nicht so laufen wie ich wollte, bzw. musste die ganze Woche umwerfen.

Was ich aber nicht im Blick hatte – ich aber seit Jahren … wenn ich ehrlich bin … an mir beobachte, ist ein ganz anderer Punkt. Offensichtlich beeinflusst mein Lauftraining meinen Job nicht, auf Dienstreise laufe ich nach Feierabend, im Homeoffice manchmal Mittags. Wenn ich Termine habe plane ich den Lauf drumherum oder verschiebe bei Auswärtsterminen auch die Einheit mal ganz.

Aber in der Rückschau fällt mir auf, dass ich jedes mal, wenn ich einem Trainingsplan folge und ein „großes“ sportliches Ziel habe, für das ich privat und in meiner Hobby Prioritäten verschiebe auch verspüre, dass meine mentale Energie wandert. Stecke ich in einem fordernden Problem im Job, fehlt mir meist die Lust und Laune eine anstrengende Einheit zu laufen, aber auch andersherum ist mir das jetzt aufgefallen.

Stecke ich viel Energie in einen Plan (wie den ZUT-Plan) gibt es hier Kosten! Nichts ist umsonst. Der ZUT hat mir im Job in den letzten Monaten Achtsamkeit, Aufmerksamkeit und Fokus gekostet, etwas das mir heute nach dem ZUT sehr bewusst wird und was mich .. naja … ich will nicht sagen ärgert. Mich ärgert die Konsequenz daraus, da sie mich ganz persönlich betrifft, aber letztlich war ich nicht achtsam genug um zu bemerken, wo meine Aufmerksamkeit liegt, das ich zu viel meiner Energie an etwas binde und zu starr im denken bin.

Die Sache ist immer der Fokus. Zu viel Fokus auf die Arbeit macht unzufrieden, den Arbeit ist nicht alles. Zu viel Fokus auf die Familie hilft nichts, denn das Geld will verdient werden und zu viel Fokus auf den Sport macht Familien unglücklich und in der Arbeit kann man nicht das Leisten, was man vielleicht möchte.

Das muss man sich bewusst machen, wenn man in so ein Training einsteigt und vielleicht mehr will als nur finishen. Welchen Preis ist man bereit dafür zu bezahlen. Alles miteinander geht nicht, die Energie möchte sorgsam aufgeteilt werden.

Ich für mich persönlich habe mir vorgenommen zukünftig anders damit umzugehen. Einerseits werde ich die Kommunikation über meine sportlichen Ziele zukünftig auf meine Lauffreunde und meine Social Media-Blase beschränken. Wer mich fragt wird eine Antwort erhalten, aber ich möchte keine Vermischung mehr zwischen Sport und Arbeit – aktiv kommuniziere ich hier keine Ziele mehr.

Darüber hinaus muss ich mich zukünftig nicht nur fragen, an welchem Tag ich welches Training in der Woche unterbringen will, sondern auch ob ich dieses Training dann in vollem Bewusstsein mache oder nur weil es da hinein passt. Den Preis den ich dann zahle ist, dass ich vielleicht weniger intensiv oder spezifisch trainieren kann. So sei es, 11,5h auf dem Supertrail ist eine Leistung – keine Frage – aber keine Höchstleistung, denn von denen habe ich mich verabschiedet. PBs und Platzierungen …mir egal, diese Kosten nehme ich gerne in Kauf.

Klar ist es auch Kennzeichen meines Trainings, dass ich gewillt bin einen Plan einzuhalten um das Ziel zu erreichen. Also den Weg zum Ziel zu machen, aber der Weg beinhaltet auch, die Familie mitzunehmen und im Job bei der Sache zu bleiben. Den Fokus richtig zu setzen, individueller und achtsamer zu agieren und an den richtigen Stellen die Energie einzusetzen. An den richtigen Stellen Nein zusagen, an den richtigen Stellen die Verantwortung anderen zu übertragen und an den richtigen Stellen inne zu halten und das was man tut… mit voller Aufmerksamkeit zu machen.

 

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2 Kommentare

  1. Auch auf die Gefahr hin jetzt wieder einen Beitrag unter einem Beitrag zu schreiben gehst du hier auf etwas ein was mich auch seit längerem Umtreibt. Mein Problem ist weniger meine Arbeit, die kann ich mir ganz gut einteilen (es lebe die Gleitzeit) und ich bin dabei auch sehr unabhängig (es lebe das Einelkämpfertum), bei mir ist der Limitierende Faktor die anderen Hobbies. Da ich ja nicht nur Laufe sondern auch leidenschaftlich Klettere und mich vor langer Zeit mal als Bergsteiger bezeichnete sind da noch zwei große Sportarten die irgendwie jetzt komplett zu kurz kamen. Von der Familie gar nicht zu sprechen. Die geht aus akutem Mann-Mangel sowieso schon auf dem Zahnfleisch und die Toleranzgrenze ist berechtigterweise erreicht.
    Nun will ich aber in meiner Ausbildung zur Bergwachteinsatzkraft auch weiter kommen und ein Gipfelkreuz möchte ich auch mal wieder sehen. (Ja ich weiß, ich war dieses Jahr schon wenigstens einmal auf einem richtigen Gipfel gestanden). Ich habe die ersten 6 Monate diess Jahres komplett dem Laufsport untergeordnet und ich habe beeindruckendes erreicht. Neben meinem ersten Marathon, den ich auch noch in einer irren Zeitgelaufen bin, habe ich meine PB im Halbmarathon verbessert und bin zum Ultramädchenjunge geworden. Mein A-Race war der Obermainmarathon und dafür habe ich absolut strukturiert einen Greif-Plan durchgezogen. Am Limit mit 80-100 Wochenkilometern. Und? Es hat sich gelohnt. 20 Minuten schneller im Ziel als geplant. Was musste ich dafür investieren? 12 Stunden Training in der Woche bei nur einem Ruhetag. Ich habe sage und schreibe eine einzige Einheit ausfallen lassen. Aber körperlich und seelisch hat mich das gefordert, dass ich oft gereizt und müde war. Manchmal ist mir der Fußweg zum Bahnhof wirklich schwer gefallen und ich glaube es verging kaum ein Tag an dem ich nicht schon um 9 Uhr auf der Couch eingschlafen bin. Man es war geil so intensiv den FOCUS auf ein Ziel zu legen. Aber jetz, jetz bin ich irgendwie ausgebrannt.

    Akutell laufe ich wenn ich Lust dazu habe. Wir sind immer noch zwei Wochen post ZUT und ich habe erschreckend oft Lust zu laufen. Das ist auch ok… ich habe dieses Jahr noch zwei Rennen auf der Liste stehen, dass ist der Südthüringen Trail (ein Ultra) und der Staffelberglauf (ein Bergsprint) und dann lege ich ein Sabbatical ein. Ich habe mir auferlegt ein Jahr lang keine Wettkämpfe zu machen (Einschränkung: keine allzugroßen die gesondertes Training brauchen). Ich will mir selbst beibringen meinen Sport so zu betreiben, dass es mich glücklich macht und nicht alles über den Rand fällt. Ich will mich ins Gleichgewicht bringen. Familie, Beruf, Ehrenamt und Sport die gleiche Gewichtung zukommen lassen.

    Ach jetzt hab ich so lange geschrieben und doch nix gesagt… was ich sagen wollte, wir die mitten im Leben stehen, an denen wird ständig gezerrt. Wir wollen mehr und der Preis mehr zu wollen ist hoch. Mit der richtigen Tiefenschärfe auf den Auslöser zu drücken Bedarf viel Konzentration, etwas Übung und immer auch ein wenig Glück.

  2. Lieber Daniel und auch lieber Flo!

    Wieder mal ein Artikel, der es auf den Punkt bringt. Irgendwie sind Beiträge aus meiner Twitterblase auch immer ein bisschen Therapie.

    Im Moment habe ich kein Problem mit dem Fokus, da ich den luxuriösen Zustand der Teilzeit genieße, seit 13 Jahren um genau zu sein. Das bedeutet tagsüber Haushalt und Kinder und zwischendurch Fahrrad fahren und das auch viel. Im Prinzip müsste die Wertung anderes herum sein. Fahrrad fahren und zwischen durch Haushalt und Kinder. Die zwei Stunden die abends arbeite sind eigentlich zu vernachlässigen.

    Dieser Luxus wird sich ab 07.08. diesen Jahres schlagartig ändern. Ab dann werde ich wieder meinen normalen 8 Stunden Job antreten. Täglich! Es ist nicht nur eine extreme Umstellung für die Familie, sondern besonders für mich. Bisher hatte ich Zweifel, ob das alles für mich so funktionieren wird, dass ich auch weiterhin meine Radeinheiten machen kann, oder ob überhaupt dazu komme.

    Dieser Artikel hier hat meine Zweifel vertrieben. Und mehr noch, er hat mir die Richtung des Denkens gezeigt, in die es gehen muss. Du hast aus eigener Erfahrung beschrieben, was mich erwarten wird, denn ich glaube dass unsere beiden Leben vergleichbar ablaufen. Jedenfalls ab dem 07.08., jetzt ehr noch nicht! ;-) Aber Du hast mir mit diesem Artikel sehr viel Mut gemacht und mich angeregt die Dinge fokussierter zu betrachten und dabei aber den verschwommenen Rand nicht aus den Augen zu verlieren.

    Ich finde Eure beiden letzten Absätze sehr treffend und finde es toll wie Ihr beide immer die richtigen Worte findet.

    Vielen Dank!

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