Ölschnitztal, 30er, 30k Lauf

das erste mal 30km – Laufen, Leiden, Landschaft

Im Leben eines Ausdauersportlers kommt mit immer wiederkehrender Regelmäßigkeit der Zeitpunkt, an dem es gilt Grenzen zu überwinden. Im Grenzen überwinden ist Ausdauersport quasi grenzenlos. Das erste mal 1 Stunde, 10km, 2 Stunden, 20km laufen … das erste mal 100km auf dem Rad, 200km usw. usw.

Vor kurzem bescherte mir Twitter eine ultimative Laufweisheit:


Was soll man da noch sagen! Beim Umstieg vom Halbmarathon- auf den Marathonplan endet der lange ext. Dauerlauf nicht mehr bei 25km und die regenerative Einheit wird 90min statt 75min gelaufen. Die läppischen 15 Minuten sind kein Problem. Der lange Lauf macht’s – aus 25 werden ganz schnell 35 … eine Distanz die für mich aktuell  noch unvorstellbar ist.

Während ich die letzten Wochen um die 25km herum gelaufen bin, war der Sprung über die ominösen 30 nur eine Frage der Zeit. Die maximale Strecken die ich bisher gelaufen bin waren die 28km des Maintal-Trail. Auf dem Weg zu den vollen 35km muss aber erst die 30km Marke übersprungen werden und wann geht es besser als in der Urlaubszeit.

Der Zeitpunkt war perfekt, nur die Strecke hat gefehlt. Schon vor einer Woche wollte ich 28km laufen – total ungeplant mit dem Ergebnis, dass meine Laufrouten mich nach 23km schon wieder nach Hause führten. Darüber denkt man selten nach, Einheiten bis 15km hat man leicht parat, aber darüber hinaus wird es eng. Vor allem wenn man nicht jeden Lauf genau vorausplanen will und drauf los läuft, kommt es leicht vor, dass die Strecke zu kurz ist.

Aus Ermangelung einer sinnvollen 30km Strecke musste diese also auf jeden Fall vorausgeplant werden. Eher durch Zufall habe ich mir so eine Route ausgeguckt, die nicht nur 30km lang sondern auch reizvoll ist und auch noch mit einem Besuch bei meinen Eltern zu verbinden ist. Das einzige Manko für den ersten 30er waren die veranschlagten 700 Höhenmeter. Das lies sich glücklicherweise etwas verringern, dennoch um die 500 sollten es schon werden.

Strecke, Zeitpunkt … eigentlich alles perfekt. Aber das Leben ist bekanntlich das, was passiert, wenn man eifrig dabei ist Laufpläne zu schmieden. Während ich mich mental auf die Überwindung der 30er-Schallmauer eingestellt habe, wurde der Wetterbericht schlechter. Statt mildem Winterwetter hieß es erst Schnee und dann eisige Temperaturen, na danke.

Im Gedanken daran, dass einfache Dinger auch leichter zu den Akten gelegt sind als komplizierte lies ich mich davon aber auch nicht aufhalten. Trotz Schneefall und vorhergesagten Windchill-Temperaturen von -12°C bereitete ich mich weiter vor. Laufrucksack mit zusätzlichen Klamotten, einer Karte mit Roadbook, einer Trinkblase und … zum Glück einer kleinen Thermoskanne mit Tee.

Heute Morgen um 8:00 Uhr sollte es losgehen. Sicherheitshalber hatte ich mit meiner Frau bereits einen Abholtermin deutlich über 6er Pace ausgemacht – vereinbart war 3,5 Stunden später. Mit ein paar Minuten Verspätung ging es auf die Reise.

Bereits die ersten Kilometer machten klar, dass es hart werden würde. War es die Kälte, oder der rutschige Untergrund – die erste Stunde war mein Puls für das LaLa-Tempo mind. 10 Schläge zu hoch. Anfangs lief ich aber recht konstant erst durch die Stadt um dann am ersten Ansteig (dem fiesesten überhaupt) den Talkessel zu verlassen.

Hier zu laufen wäre Selbstmord, deswegen ging ich den Anstieg, habe versucht währenddessen eine Nachricht am Handy zu tippen und da erst bemerkt wie kalt es eigentlich (ohne Handschuhe) ist. Danach wurde es nicht besser! Oben angekommen blies der eisige Wind schonungslos. Kein Wald, keine Stadt… einfach nur Wind.

Ich lief bis Kilometer 14 im Eiswind um dann an einem Buswartehäuschen eine Pause zu machen. Die Trinkblase und damit ca. 1kg Gewicht für das Wasser hätte ich mir sparen können, denn schon nach etwas mehr als einer halben Stunde war das Wasser im Schlauch gefroren. Um so mehr habe ich mich über zwei Becher heißen Tee aus der Thermoskanne gefreut … und darüber das ich noch ein zusätzliches Oberteil unter die Softshell ziehen konnte, ein zusätzliches Buff unter die Mütze packen konnte und… noch dünne Handschuhe unter die dicken anzuziehen. Allerdings hatte ich die Handschuhe wohl zu lange aus. Als ich loslief, waren meine Finger beinahe taub.

Bei Kilometer 15 war die Motivation über den Jordan. Das einzige, was mich davon abgehalten hat, meine Frau anzurufen, war der grausame Gedanke zum telefonieren die Handschuhe ausziehen zu müssen. Ich habe mich mit mir selbst auf den nächsten größeren Ort geeinigt – aber nicht damit gerechnet, dass dazwischen gut 4km feinste offene Ebene mit 100% Gegenwind liegen.

Mental habe ich mich 2014 zu keinem Zeitpunkt, in keinem Wettkampf und auch in keiner Situation (nicht mal meinem Hungerast-Drama) so herausgefordert gefühlt. Das Buff vor dem Gesicht war gefroren, die Laufbrille angelaufen, es blies mir direkt ins Gesicht und ich kam kaum voran.

Die dabei innerlich gefluchten Flüche sind eindeutig nicht druckreif und meine Verzweiflung sorgte dafür dass ich eine kurze Gehpause sogar rückwärts gemacht habe um kurz durchzuatmen. Erstaunlicherweise war das wohl meine innere Grenze, die es zu überwinden galt. Als die 20 auf der Uhr stand, der Ort erreicht war, war von aufgeben keine Spur mehr.

Ich wollte es nur noch schaffen, die Kälte war mir egal und die kommenden Höhenmeter erst recht. Die letzten 10km schmerzten die Beine zwar schon ziemlich, aber ich bin gelaufen wo es ging und die Anstiege hochgegangen. Immerhin sind das auch die landschaftlich schönsten. Nach und nach ging es also bergauf und immer näher ans Ziel.

Witzigerweise waren die letzten 2,5km die Dauerlaufstrecke, die es damals im Schulsport zu laufen galt. Damals vor 18 Jahren, als ich hier immer … aber wirklich immer letzter war, während die Sportskanonen vorne abgezischt sind. Glücklicherweise durfte man als lahme Ente umdrehen, wenn die Fußballer wieder entgegen kamen. Die Ironie der Geschichte, dass ich so viele Jahre später am Ende meines 30ers sicherlich deutlich frischer die 2,5km gelaufen bin, als in der Blüte meiner Jugend.

Nach 3 Stunden 20 und 31km laufe ich meiner Familie entgegen und freue mich auf eine warme Sitzheizung, auf den Rest meines Tees und die Aussicht auf ein heißes Bad. Ich bin total geflasht … 31km am Stück, eine Distanz die manche Menschen nicht mal mit dem Fahrrad zurücklegen. BAMM!

Es gibt so viele Läufer, für die ist das normal – die schreiben darüber keinen Blogbeitrag, aber auch die mussten irgendwann einmal … so wie ich heute … die 30km Marke überspringen. Ich habe gut trainiert, ich habe die Strecke bewältigt, ich habe die Grenze in meinem Kopf überwunden und wurde mit großer Zufriedenheit … einem gesegneten Appetit und dem Bedarf eines Nachmittagsschläfchens belohnt.

Wer ein Marathonläufer sein will … muss wie ein Marathonläufer trainieren … bald auch auf 35km.

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15 Kommentare

  1. Glückwunsch zu diesem klasse Lauf und danke fürs mitnehmen.
    Das war garantiert nicht die letzte abgefahrene Situation die du bei deinen Läufen erleben wirst.

    Viele Grüße aus den Bergen

    Steve

    • Hi Matthias,
      danke – aber so unterschiedlich sind die Menschen, 10km im Schwimmbad ist für mich jenseits vom vorstellbaren, immerhin könnte ich aktuell nicht mal 1000m schwimmen … oder 100? ;-)

      VG
      Daniel

  2. Liest sich fast, wie ein Kapitel aus dem Buch von Scott Jurek.

    Mein erster 30er war weniger spektakulär. Hatte einfach nur ein paar Runden im Park dran gehängt und damit dann auf Instagram mit diversen Bildchen kokettiert. In Anbetracht dessen, was vor mir lag (weitere 30er bis 35er), fand ich es auch nicht sooo spannend sondern eher nach „Meilenstein abgehakt“.

    Dass du den Greif nimmst, finde ich mutig. Schon recht kernig. Ich habe mich mit Steffny begnügt und nicht mal daran zu 100% gehalten. Hat dennoch geklappt!

    • Im Nachhinein war es natürlich gar kein so großes Ding – vor allem, wenn man weiß das Greif in der heißen Phase den 35er mit 15km Endbeschleunigung laufen lässt. Da war ein locker gejoggter 31er jetzt mal Kindergarten … dafür aber 1A Mentaltraining.
      Das schöne… heute habe ich nicht mal Muskelkater, also Greif-Training macht hart ;-)

      Steffny hatte ich mir für den Haspa-Marathon dieses Jahr rausgesucht, allerdings musste ich den ja durch die vielen Erkältungen ausfallen lassen. Wenn ich den 3:30 Plan von Steffny ansehe muss ich aber schon etwas schmunzeln, bis auf die 30+ Läufe ist der HM-Plan von Greif deutlich fordernder.

  3. Top! Ich find das klasse, dass du dich bei so schwierigen Verhältnissen durchgebissen hast. Alles andere wäre ja auch ein massiver Rückschritt gewesen.

    Meinen Glückwunsch und großen Respekt! :-)

  4. Auch von mir noch herzlichen Glückwunsch zum ersten Ü30! Kann mich auch noch gut an meinen erinnern: 5,5 Kilometer-Runde, 6 mal gelaufen und dank des Dauerregens wurde die Strecke immer matschiger. Aber hinterher habe ich mich gefühlt wie ein kleiner Gott. :-)

    • Davor habe ich wirklich allerhöchsten Respekt. Bevor ich so eine Einheit laufe, würde ich mich lieber 37x drücken und etwas anderes machen. Vor allem, wenn es dann immer nur ganz kurz nach Hause oder bis zum Auto ist … da würde mir mein Schweinehund zu laut werden.
      Aber auf das Ergebnis kommt es an ;-)

  5. Ich will mal ein paar Gedanken zu den langen Läufen aufschreiben. Ich habe sowohl nach Greif als auch nach dem Plan von Victor Röthlin trainiert oder es zumindest versucht. Leider sind mir derartige Pläne zu starr, da ich viel unterwegs bin und wenn man 12 h beim Kunden war und sich den ganzen Tag nur von Kaffee ernährt hat, ist ein 18 km TDL sicher das letzte an was ich denke. Irgendwann habe ich dann gemerkt, dass mein Training mit den Plänen nicht mehr viel zu tun hat.

    Die Philosophie der Pläne ist natürlich verschieden, Greif macht sehr viel über die Umfänge, während Steffny vermutlich davon ausgeht, dass eine 3:30 h sowieso jeder laufen kann, der Plan also mehr eine Alibifunktion hat. Ab 3:00 h Zielzeit wird es auch bei Steffny interessant. Die Röthlinpläne machen mehr Geschwindigkeit, die langen Läufe werden z.B. von Anfang an schneller gelaufen.

    Die langen Läufe sind bei Greif sicher die Schlüsseleinheiten wobei ein 18 km TDL ja auch erst mal gelaufen werden muss. Ich habe das Glück, dass ich in der jetzigen Jahreszeit auch während eines langen Laufs nichts zu trinken brauche. Im Notfall habe ich einen 5 Euroschein dabei, eine Gaststätte oder ein Kiosk findet sich ja doch immer, wenn es denn sein muss. Ich habe mir mehrere Runden von denen ich recht genau weiß, wie lang sie sind. Bei den meisten kann ich im Notfall auch abkürzen oder auch noch ein paar Meter zulegen. Punkt zu Punkt Strecken sind ja im Allgemeinen doch sehr anspruchsvoll, was die Logistik angeht. Runden haben außerdem den Vorteil, dass es jeden Meter bergauf auch wieder runter geht und wenn der Wind 10 km von vorn kommt, kann man sich schon mal auf 10 km Rückenwind freuen.

    Ich gehöre ja noch zu der Läufergeneration, die möglichst wenig mitnehmen. Wenn ich schlecht drauf bin, nehme ich noch nichtmal eine Uhr mit. Trinkrucksäcke, Thermoskannen, Handys usw. kann ich nicht so unterbringen, dass es mich nicht beim laufen stört.

    Wenn man wie du von vergleichsweise niedrigen Umfängen kommt, würde ich dir dringend empfehlen auf keinen Fall mehr oder schneller zu laufen als der Plan vorsieht. Im Zweifel würde ich lieber etwas weniger machen. 90 min. regeneratives Laufen hat für mich z.B. nicht mehr viel mit Regeneration zu tun. Da setze ich mich lieber 1 h auf die Rolle und lockere die Beine bei niedriger Intensität. Alternativ kann man sich vielleicht auch eine Stunde von Frau und Kind bewundern lassen :-)

    Auf jeden Fall wünsche dir viel Erfolg und ich werde das Projekt gerne weiter verfolgen.

    • Vielen Dank für Dein Feedback – zum Thema Plankombination habe ich vor kurzem schon einen Beitrag geschrieben. Mein Vorteil aktuell ist, dass ich aktuell nicht darauf angewiesen bin jede Woche die langen Läufe abzuwickeln. Mit dem Ziel Berlin Marathon bereite ich jetzt über den Basetrail die Umfänge vor um dann im Sommer die Umfänge des Greif Plans voll zu laufen.

      Immerhin ist der Greif-Plan der erste den ich überhaupt so lange folge. Neben dem T4H-Plan habe ich seit Start zwischen 4-7h Radtraining dazugepackt und es hat gut funktioniert. Somit geht es aktuell hauptsächlich darum den LaLa nachhaltig zu verlängern und mich dabei nicht zu verletzen. Dadurch, dass ich vorerst alle 2 Wochen den Lauf verlängere und je nach Zeit zwischen Radpriorität und Laufpriorität pendele sehe ich das sehr gelassen. Gespannt bin ich allerdings dennoch selbst. Aber wenn die Saison so eine sichere Bank wäre… wäre es ja auch langweilig.

  6. Das erinnert mich an meine ersten langen Einheiten. Ja, damals war jeder lange Lauf ein absolutes Erlebnis an der Grenze des Möglichen. Und wie du schreibst: Inzwischen ist das ganz normal, so lange unterwegs zu sein.

    Und noch mehr erinnert mich das an die von dir aufgeführten Gründe, nicht im Januar mit dem Laufen anzufangen: Stell dir mal vor, du hättest diesen Lauf bei bestem Frühlingswetter im April oder Mai gemacht. Wie viel einfacher das gewesen wäre.

    Glückwunsch zur 30+!

    • Ja, einfacher wäre es gewesen – letztlich war der Lauf eher gegen mentale als körperliche Hürden. Ich hätte schon vor Monaten 30km laufen können, nur habe ich es nicht getan. Dennoch freue ich mich auf den Frühling – vor allem darauf, dass nicht Samstag/Sonntag früh ,wenn lang gelaufen wird, alles DUNKEL ist.

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