Rückblende – wir schreiben den 5. Januar 2014, das neue Jahr hat begonnen, mein Training nimmt wieder vernünftige Formen an. Nach den Problemen im Herbst mit dem Knie hat das Projekt „Quadratmarathon“ gezeigt, dass der Körper wieder zu großen Taten bereit ist. Die Knieproblemen haben zum Umdenken geführt, was Alternativtraining und Regeneration betrifft. Der Quadratmarathon-Abschlussspurt war das Labor dazu um herauszufinden, was passiert.
Aber die Form ist weg, so viel ist sicher. Der VDOT-Wert pendelt zu dem Zeitpunkt knapp unter 37. Ich mische schon ziemlich lockere Rollentrainereinheiten mit Lauf-Einheitsbrei aus der GA1-Winterkollektion. Achtung, jetzt wird es übertrieben episch: Bis mir wieder der „Schicksalsberg“ in die Quere kommt. Es gibt Strecken, die läuft man einfach ständig – – und wenn man sie nicht ständig läuft, dann sieht man sie ständig, fährt mit dem Auto dran vorbei oder oder oder … und es gibt sie, die Strecken, die eigentlich direkt vor der Haustür starten und enden, aber etwas besonderes sind. Ich habe dem Sophienberg damals sogar bei meiner Erstbelaufung einen eigenen Beitrag gewidmet.
Am Tag zuvor lief ich bereits 10 Kilometer in lockerer Pace, aber etwas angestrengt – um 6:45 Uhr schlich ich mich aus dem Haus. Mit 6°C war es relativ mild, aber bewölkt. Ich musste mich die Steigungen ziemlich hochquälen und Gehpausen einlegen. Um kurz nach 8 hatte ich den „Gipfel“ in der ersten Dämmerung erreicht.
Auf dem Rückweg dröhnte meine Lauf-Playliste aus den Kopfhören, so locker es ging, lief ich mit Coldplays – The Scientist bergab zum nächsten Ort. Ich hatte wieder Mut gefasst, der Hamburg Marathon stand vor der Tür und ich konnte nach den Belastungen der Vorwoche 10 + 21km hintereinander laufen. Insgeheim grübelte ich über Trainingspläne, über Crosstraining, wo in welcher Sportart man wohl den höchsten Maximalpuls erzielen könnte. Die Gedanken sind mir heute noch wie damals vertraut. Gegen Ende taten mir kräftig die Beine weh, vor allem weil ich 3km vor Zuhause wegen einem herumstreunenden Hund ein Stück gegangen bin. Wieder anlaufen war nicht sehr schön. Aber als ich Zuhause war, war ich zufrieden wieder mal den Sophienberg gepackt zu haben und ich war überzeugt, dass ich den Trainingsplan für den Haspa-Marathon hinbekommen würde.
Formtest Deluxe – aber wozu?
Nun will es der Zufall so, dass heute am 04. Mai nicht nur der Star Wars Tag ist, sondern auch der Haspa-Marathon stattfindet. Dazu gleich aber mehr, weil es sich tatsächlich um einen Zufall handelt.
Nach dem Obermain Halbmarathon bzw. dem Drama, dass sich nach KM 15 in meinen Beinen abspielte, war klar … wenn ich meine Halbmarathon-Bestzeit in Angriff nehmen will, hilft mir weder mein neues Tempo über 10 Kilometer, noch die Grundlagenausdauer vom Crosstraining auf dem Rad, wenn die Muskeln einfach nicht mitmachen. Angefixt vom Wettkampf habe ich mich beim Maisels FunRun gleich anstatt für die geplanten 10,5 für den Halbmarathon gemeldet.
Nun fehlte nur noch den Umfang bzw. die Wochenkilometer auszubauen. Anstatt ständig 10km zu laufen musste wieder Pfeffer ins Training. Die kurzen Läufe auf Dienstreise habe ich für ein paar Treppentrainings oder Tempoeinheiten abgezweigt und zwei mal hat es auch schon für 13 statt 10km gereicht. Aber richtig lang, bin ich seit Januar außerhalb eines Wettkampfs dennoch nicht mehr gelaufen.
Nun wohne ich in Bayreuth auf dem Bayreuther-Kesselrand. Von meiner Brot-und-Butter-Laufstrecke kann ich ungehindert über den Kessel zum Sophienberg sehen. Ich bin auch die letzten Wochen schon ein paarmal mit dem Rad drüber, ist einfach auch ein gutes Radtraining. Aber der Schicksalsberg war weiterhin unbezwungen… der Wunsch dort wieder hin zu laufen war präsent und ein paar freie Tage am Stück ein guter Anreiz es JETZT zu tun.
Wie schon vor dem HM Wettkampf habe ich auch diesmal zwei Tage Radtraining in den Beinen. Diesmal habe ich mich in meiner persönlichen Folterkammer (die früher mal mein Arbeitszimmer war… eine andere Art Folterkammer) auf dem Rollentrainer mit knackigen Intervalleinheiten gequält. Keine 10 Stunden nach den Radintervallen wollte ich loslaufen.
May the 4th … be with you
Vielleicht war es ja auch irgend eine Seite der Macht, die mit mir heute mitlief. Um 5:55 Uhr klingelt mein Wecker. Ich schleiche mich aus dem Schlafzimmer, lehne alle Türen an um den normalen Teil der Familie nicht mit meinem Irrsinn zu wecken.
Im Bad liegt bereits mein komplettes Laufoutfit bereit, die Uhr ist geladen, das Handy auch. Unter dem Auslauf der Kaffeemaschine wartet ein Tasse nur auf die Füllung und im Kühlschrank steht ein Glas Orangensaft mit Chia-Samen. Nach dem zweiten Kaffee geht es los. 6:32 Uhr – etwas früher als im Januar… aber… man mag es kaum glauben, immerhin ist ja Mai … ist es EISKALT. Nebel hat sich auf die Stadt gelegt, es ist 3°C und damit halb so warm wie 4 Monate vorher!
Mit Handschuhen und meiner Gorejacke bewaffnet geht es los, wieder laufe ich auf einer dieser Brot-und-Butter-Strecken. In Strava habe ich für den „Laufzubringer“ sogar ein Segment angelegt. Da es zur lokalen Universität führt, heisst dort die Strecke „Unihighway“. Eine ehemalige Bahnstrecke, die erst mal drei Kilometer Kälte, Nebel und Menschenleere bringt.
Der Motor läuft noch keineswegs rund und die Radintervalle wollen auch noch Aufmerksamkeit von mir. Immerhin ist es wunderbar ruhig in der Stadt. Ich biege ab und laufe langsam unter Beobachtung eines Lamas im Tiergehege aus der Stadt. Bisher habe ich noch keinen Blick auf die Uhr geworfen – weder Pace noch Puls sind mir bekannt… so wirklich locker fühlt es sich nicht an, aber 10km gehen immer und nach 10km stehe ich im Regelfall auf dem höchsten Punkt der Strecke, damit tröste ich mich.
Ich wechsle die Richtung und laufe inzwischen auf den Sophienberg zu. Hinter den Nebelschwaden kann man den Berg schon sehen … und offensichtlich werde ich diesmal mit strahlend blauem Himmel am Berg belohnt. Nach 7km trotten mir die ersten Menschen in Form zweier Läufer entgegen. Ich wiederum frage mich, was ich mir da vorgenommen habe – selbst nach über einer halben Stunde fühlen sich die Beine noch stacksig an. Wille ist gefragt als ich den nächsten Ort – wieder menschenleer – durchlaufe. Die Belohnung wartet schon kurz hinter dem Ortsschild.
Der Nebel lichtet sich und die Strecke, die ich auch gerne mit dem Rennrad fahre liegt direkt vor mir. Das Ziel – der Sophienberg – liegt direkt im Blick. Ich folge der Straße und stelle zum wiederholten male fest, dass Kühe auf der Weide meist viel mehr Interesse an Läufern haben, als der große Teil meines Umfelds.
Nach einem lockeren gleichmässigen Anstieg geht es nach einer kurve aber erstmals richtig zur Sache – an der Steigung bin ich im Januar gescheitert und habe mich für eine Gehpause entschieden. Diesmal mache ich nur einen Abstecher für eine Fotopause.
Überall lichtet sich der Nebel und das satte Frühlingsgrün, dass teilweise noch mit Bodenfrost bedeckt ist leuchtet im Licht der Morgensonne.
Die Sonne heizt mir in meinem kompletten schwarzen Laufdress direkt ein. Sprich… die Sonne und die Steigung. Diesmal gibt es keine Gehpause und ich komme diesmal ohne merkliche Verzögerungen den Anstieg nach oben. Kurz bevor ich von der Straße auf den Feldweg abbiege sehe ich auf einer Bank zwei Rennradler, die den wahnsinns Ausblick der nebelgefüllten Täler im Sonnenlicht nach dem Anstieg nicht entgehen lassen.
Die Anstregung war sicherlich für die beiden deutlich zu hören. Wie eine Dampflok schob ich mich beständig den Berg hoch und in den Wald hinein. Kurz bevor ich über ein kurzes Trailstück Richtung Gipfel abbog musste ich das Panorama nochmals festhalten. Diesmal allerdings deutlich vor 8 Uhr. Die erste Hälfte mit den kurzen aber kräftigen Anstiegen war deutlich schneller geschafft, dafür wurde ich mit einem Panorama über die Nebellandschaft belohnt, aus der nur die Hügel rund um Bayreuth und im Hintergrund das Fichtelgebirge blickten.
Nun noch kurz über einen Wanderweg hoch zum Gipfel, den ich direkt hinter mich gelassen habe. Abwärts ging es auch im Januar schon relativ schnell, aber diesmal konnte ich tatsächlich nochmal einen Zahn zulegen. Inzwischen lief alles wie am Schnürchen. Die Zipperlein vergessen, es lief und im Körper dieses Gefühl flüssigen Goldes. Das beflügelte nicht nur bergab sondern auch auf den lockeren Strecken zum nächsten Ort.
Inzwischen war mir klar, dass der Formtest gelungen ist. Keine Schmerzen, einfach laufen… den Vögeln zuhören, die Natur betrachten. Die Freude über den gelungenen Lauf auf der selten gelaufenen Strecke verdeutlicht sich auch darin, dass ich bis dahin die Uhr einfach unbeachtet gelassen habe.
Ich laufe wieder den Weg, den ich schon im Januar euphorisch lief … diesmal auch in Gedanken an den Haspa-Marathon. Der Formzuwachs ist einfach unübersehbar. Ich bin stärker, schneller und besser… aber eben nicht auf der langen Strecke, darum bin ich auch nicht wirklich traurig, denn während die 17.000 Läufer in Hamburg aufgeregt auf den Start hinfiebern, gebe ich mir selbst ein Lehrstück in Sachen „that’s why we run“.
Ich überhole mit viel zu lockerer 5er Pace eine Läuferin, es gibt noch einen Richtungswechsel und ich befinde mich wieder auf einem Radweg. Wieder einer dieser Laufzubringer, wieder eine ehemalige Bahnstrecke.
Im Januar hab ich gehofft, endlich zu Hause zu sein. In – für mich nach der Distanz – lockeren 5:15 laufe ich den Laufzubringer wieder Richtung Bayreuth. Hätte ich das mal in Staffelstein bei Kilometer 18 noch geschafft. Aber überpacen… kann ich eben super.
Das Wetter meint es gut mit mir. Der Rest von Bayreuth liegt noch unter dem kühlen Wattemantel, während mein Stadtteil schon den sonnigen Himmel genießen kann.
Nun geht es nur noch den brüchtigten Schlußanstieg nach oben … aber ich muss mir nichts mehr beweisen. Locker trabe ich hoch und mache beim Bäcker eine Pause um die noch schlafende Familie und mich am frühen Morgen wieder zu versorgen. Erstaunlich, dass ich selbst nach den 3 Minuten Pause im Bäcker und dem vorherigen Anstieg noch locker anlaufen kann und selbst die letzten 40HM komme ich mit zwei Brötchentüten locker nach oben.
Kurz vor der Haustür der Blick auf die Uhr – dort stehen 20,7km und für mich erst mal unglaubliche 1 Stunde 59 Minuten. Eigentlich wollte ich das Ziel auf 20km erreichen, aber nein… es reicht für 5:46 als Pace und damit 36 Sekunden pro Kilometer schneller als im Januar und das auch noch bei fast gleichem Durchschnittspuls.
Formtest Deluxe geglückt. Der grüne Pfeil in Runalyze steigt schnurstracks nach oben und verrät eine 43,78 – Welten von der Januar Form entfernt. Nach meinem schnellsten TDL im Training am ersten Mai und zwei knackigen Rolleneinheiten bin ich mit mir selbst und meiner Form versöhnt, der Hamburg Marathon ist … nein … nicht vergessen, aber ich bin versöhnt mit der Absage. Ich werde dieses Jahr sicher noch einige interessante Ziele knacken!
Hallo Daniel,
wow…wow…und nochmal wow.
Wunderschöne Bilder, tolle Eindrücke und ein schöner Bericht von einer tollen Strecke. Danke dafür!
Deine Form ist ja wirklich super. Ich werde weiter ganz gespannt verfolgen, welche Ziele Du dieses Jahr noch alle erreichen wirst.
Herzliche Grüße,
Thomas
Hallo Thomas,
Danke! Ich bin ziemlich froh, dass aus dem durch die äußeren Umstände ziemlich gleichförmigen Lauf-Einheitsbrei der letzten Wochen mal wieder so ein Erlebnis raussticht. Dafür läuft man ja schließlich … und der Blogbeitrag dazu entstand quasi schon während des Laufens… ich hätte nur jemanden gebraucht zum diktieren ;-)
Mal sehen was das Jahr noch so bringt, es ist ja noch jung.
Schöne Bilder!
…allerdings: Warum laufen alle – also wirklich ausnahmslos alle -, die ich frage, wie sie denn auf den Sophienberg gelaufen sind, grundsätzlich die Straßen und Radwege ab? Man kann ab dem Röhrensee komplett ohne ein Stück Asphalt hochlaufen. Das bereitet definitiv mehr Freude und ist auch was für die Augen. Ich glaube, das müssen wir irgendwann im Sommer mal gemeinsam machen. Melde dich (Twitter/Facebook)!
Gute Frage – für mich kann ich glaube ich sagen, dass ich bisher zu faul einfach anders zu laufen. Meine Strecke besteht ja zu 99,5% aus Asphalt, nur der Weg über den Gipfel ist Trail. Hauptsächlich weil ich das ganze im Winter gelaufen bin.
Ich lass mir gerne auch andere Wege zeigen, machen wir mal!