Man kennt es aus Reiseberichten und Fernsehserien. Das Kastensystem wie man es beispielsweise aus Indien kennt. An dieser Stelle zitiere ich gerne mal wieder aus Wikipedia. Kastensystem „bezeichnet in der Völkerkunde … ein … soziales Phänomen der hierarchischen Anordnung und Abgrenzung von gesellschaftlichen Gruppen“. Bestandteil davon ist, dass sich die eine Kaste gegenüber der anderen abzugrenzen versucht.
Das Läuferische Kastensystem
Im Ausdauersport gibt es auch so etwas wie Kasten, so unterscheiden sich selbstverständlich die beradelten von den Läufern, die Schwimmer von den Triathleten. Alle haben eigene Rituale, erzählen sich eigene Mythen und opfern Geld, Familie und Ausrüstung ihren unterschiedlichen Götzen.
Aber auch innerhalb der Oberkasten kann man soziologisch weitere Gruppen identifizieren. So unterscheiden sich die Läufer in eine Vielzahl an Unterkasten, die sich auch mehr oder minder abschätzig gegenüberstehen. Man kennt beispielsweise die Kaste der Gelegenheitsjogger oder die religös auftretenden Streak-Läufer, die Minimalisten Kaste deren reine Lehre noch das Baumwollshirt ist oder die Techies.
Ich ordne mich selbst der Kaste der Wettkampfläufer zu, in der auch ein strenges Regiment herrscht. Die Hierarchie ist klar geregelt und leicht messbar. Am unteren Ende der Kette findet man die Fun-Runner. Diese Läufer nehmen an Spaßwettkämpfen statt, danach unterscheidet man innerhalb der Kaste die Läufer nur noch an der maximal absolvierten Wettkampfdistanz. Also 5er, 10er, Halbmarathon-Läufer und die Oberkaste der Marathonläufer. Die Hohepriester der Wettkampfläuferkaste sind die heiligen Ultras, deren Erscheinungsbild nur noch Transzendenz und Energie-Gels ausmachen.
Ich & der Marathon – eine Geschichte voller Missverständnisse
Nun steckt in meiner augenzwinkernden Sicht meiner Sportart durchaus etwas Realität. So wirklich mit den großen Jungs spielt man erst, wenn man die 42,195km unter die Füße nimmt. Noch vor kurzem habe ich diese Zahl aus meinem Blognamen gestrichen, weil ich mich damit nicht mehr identifizieren konnte.
Dazu kommt, dass ich mich vor ca. einem Jahr bereits mit dem Thema Marathon beschäftigt hab, mit dem Ergebnis, dass ich relativ schnell nach und nach Ziele korrigiert habe und das ganze Training immer mehr zu einem Kompromiss wurde. Gesundheit und Job standen im Weg … und irgendwann war die Luft raus. Ganz schön gefrustet habe ich meinen Plan den ersten Marathon zu laufen begraben… zusammen mit ca. 350 EUR für Übernachtungs- und Anmeldekosten die ich nicht zurückbekommen habe.
Aber trotzdem war der Marathon noch da – als Symbol dafür, stets daran zu denken nicht zu übertreiben und die eigenen Ziele so zu wählen, dass sie erreichbar sind und nicht nur erreichbar erscheinen! Diese Saison habe ich schnell umgesattelt, der Halbmarathon war mein Ziel. Insgesamt 4 Wettkämpfe und letztlich gut 10 Minuten Zeitverbesserung in 2014 machen mich mächtig stolz auf das Erreichte. Es war das richtige Ziel, es hat mich motiviert und mich auch über wirklich schwierige Phasen getragen.
Auch wenn ich allen Leuten, die mich fragten, antwortete … ich laufe jetzt erst mal kürzer und schneller, war der Marathon immer im Hinterkopf. Quasi in einer Geheimwette mit mir selbst, habe ich nach Absage des Haspa-Marathon, vereinbart, dass ich mich erst dann wieder mit dem Marathon beschäftige, wenn ich es schaffe, den Halbmarathon unter 1:40 laufen kann.
Eingeholt von der eigenen Leistung
Tja, so schnell kann es gehen. Im Juni noch grandios an der 1:45 gescheitert bin ich heute ein 1:38 Läufer auf die HM-Distanz. Ich kann mich also jetzt selbst in die Pflicht nehmen und meinen Wetteinsatz bei mir einlösen. Plötzlich ist er wieder da der Marathon, keine 5-6 Minuten entfernt, sondern da. Im Gegensatz zu 2013 habe ich ein sehr starkes Training hinter mir und bin weiter gewillt strukturiert zu trainieren. Mit gut 2,5 Jahren Lauferfahrung bin ich inzwischen sogar lange genug im Training, wie es der Laufvolksmund empfiehlt. Alles bessere Voraussetzungen, dennoch habe ich mich die ganze Zeit vor dem Marathongedanken gedrückt.
Marathontraining kostet einiges, Mühe und Zeit … viel mehr als der Rest. Deswegen würde ich auch keinen Frühjahrsmarathon mehr angehen, ich bin im Winter einfach zu oft krank. Wahrscheinlich würde es sogar klappen, aber schon wieder nehme ich mich selbst gefangen. Und zwar mit der eigenen Erwartungshaltung. Während ich Trailstrecken oder auch Radsportveranstaltungen locker absolviere, sitzt mir im Straßenlauf oft die Hochrechnungen der verschiedensten Tools im Nacken und treibt mich an. So ist es auch bei der Königsdisziplin – die HM Zeit verspricht eine Sub 3:30 und inkl. der ca. 15 Minuten die man als Debütant draufschlagen sollte müsste schon eine 3:45 her, alles andere kann ich mir zwar schön reden, aber ich bin ehrlich … im stillen Kämmerlein wäre ich erst mal frustriert.
Und plötzlich wieder Lemming!
Und da ist da noch der große Verführer. Einmal im Jahr, so begehrt wie kaum eine andere Veranstaltung in Deutschland. Traumwetter, Fernsehübertragung, viele viele Läufer vor Ort, Bestzeiten. Der Berlin Marathon ist der Rattenfänger für Sport-Lemminge und ich tanze schon wieder nach seiner Pfeife.
Die Entscheidung, was nächste Saison ansteht, ist noch nicht wirklich getroffen. Die Frage ob ich einen Marathon laufe oder nicht ist auch noch nicht wirklich abschließend beantwortet und ist auch nicht einfach so zu beantworten. Auch wenn erfahrene Läufer durchaus durch hartes Training Bestzeiten über mehrere Distanzen erreichen können, so opfern sie sehr viel Zeit und Mühe. Ich fahre auch noch gerne Rad, immer ein Kompromiss. Die Wahl zwischen einer Saison mit Marathon-Debut und einer ohne bedeutet auch, die Unterdistanzen weniger stark zu verbessern als ich könnte.
Bisher hatte ich die Strategie, das Tempo auf den Distanzen bis Halbmarathon zu erhöhen. Je jünger und trainingsjünger man ist, desto einfacher geht es noch die Grundschnelligkeit zu entwickeln. Darum habe ich mich letztlich vor einer wirklichen Entscheidung gedrückt. Der Berlin Marathon ist einfach das große Ding und nach einigem hin und her überlegen habe ich mich nun doch für die Lotterie registriert.
Klassischer Fall von Outsourcing – werde ich gezogen, steht die Entscheidung für den Marathon, werde ich nicht gezogen ist die Entscheidung klar und ich werde ziemlich sicher keinen Herbstmarathon einplanen. Ob das ganze dann bedeutet, dass ich nur Unterdistanzen laufe möchte ich hier und heute nicht versprechen.
Das Internet vergisst bekanntlich nicht und wer weiß… nicht das mir der Aufstieg in die nächste Kaste verwehrt wird, nur weil ich mich nicht klar zum großen Marathon bekannt habe. Nee nee, das wäre mir eindeutig zu gefährlich.
Ich sehe es auch so. Für Dich muss es heißen:
Berlin.
2015.
Sub 3:45.
Viel Erfolg bei der Auslosung, Nachdem ich jetzt eine neuen PB zum Eintragen habe, werde ich mich auch anmelden ;-)
Das sind mal klar Worte ;-) … wenn Marathon, dann Berlin … dann Sub3:45 … ansonsten – naja das wird noch nicht verraten ;-)
Aber warum willst du UNBEDINGT dein Marathondebut mit einer Zielzeit verknüpfen? Das ist doch ein Druck, der völlig unnötig ist. Nimm dann einfach mal bei einem Marathon bei dir um die Ecke teil, wo vielleicht nur 300 Leute starten und mach dein Ding.
Dann kommst du vielleicht mit 4:12 Stunden ins Ziel, vielleicht auch mit 3:52 Stunden, vielleicht auch mit 3:43 Stunden. Egal, du hast die Strecke aber geschafft und muss dich bei deinem nächsten Start nicht damit belasten, ob du die Distanz packst.
Versteh mich nicht falsch .. jedem das Seine und mach was du willst. Aber ich sehe das einfach so, dass du dir unnötig Druck aufbaust, übrigens auch dadurch, dass du hier genau die 3:45 Stunden auch noch als Zielzeit im Internet verewigst. Ich mein .. ich blogge auch gerne, kein Thema. ;)
Ich bin bei meinem ersten Marathon nach 4:31 Stunden ins Ziel gekommen und mir ging es richtig gut. Der zweite Marathon vor gut einer Woche ging dann mit 3:59:42 Stunden zu Ende (auch wenn er 43km lang war) und damit bin ich für immer zufrieden.
Jetzt kann ich Marathons wieder entspannter angehen (war vorher auch so, aber jetzt hab ich meine Zielzeit ja schon unterschritten und muss das nie wieder tun :)).
Ich wünsch dir ,dass du es einfach mal schaffst. Ich glaub, dass du das locker drin hast. Einfach mal machen. :)
Viel Spaß dabei.