Trainer, das kommt von dressieren und ausbilden. Ich gebe zu, obwohl es ja sehr nahe liegt, ist das Wort inzwischen zu einem deutschen Begriff geworden, der eigentlich gar nicht mehr hinterfragt wird. Dennoch habe ich aber Wikipedia konsultiert und mich schlau gemacht. Dort steht:
Trainer (engl. to train ‚ausbilden; dressieren‘) ist im Sport eine Person, die Einzelsportler oder eine Mannschaft strategisch (taktisch), technisch und konditionell anleitet. Entsprechende deutsche Begriffe sind (je nach Kontext) Übungsleiter, Ausbilder oder Betreuer.
Jetzt folgt nur noch die Frage … warum um Himmels willen geht es denn hier in dem Beitrag nun?
Eine Person, viele Rollen
Ich versuche meine Gedanken gleich zu lüften, aber vorher etwas, was ich genau so gerne tue wie laufen … nämlich … abschweifen!
Um einen Menschen heutzutage zu beschreiben gibt es unzählige Möglichkeiten ihn in Schubladen, Milieus und Rollenbilder zu zwängen – und gefühlt kommt jeden Tag irgend ein neuer Typus dazu. Der Witz an der Sache ist ja, durch diese Vielzahl an Rollen wird das damit verbundene Vorurteil hinfällig … denn je mehr man präzisiert um so weniger vergleichbar ist die Alleinerziehende-Vollzeitarbeitende-Sporttreibende-Mutter mit dem Teilzeit-Elternzeit-Industriemanager-Mann.
Aber was soll’s, Rollen sind nicht per se schlecht – sie bieten Orientierungspunkte und sind eben auf kleinerer Ebene vergleichbar. Der Stahlarbeiter-Bierdeckelsammler-Läufer teilt sich eben mit dem Ich-will-schlank-sein-Läufer dennoch ein Rollenbild … obwohl die beiden in der realen Welt sicher meilenweit auseinanderliegen.
Dr. Läufer und Mr. Trainer
OK, mit dieser Überschrift will ich nicht unterstellen, dass in jedem braven Läufer ein animalischer Trainer haust … naja, obwohl irgendwie schon oder … auch nicht, vielleicht nochmals einen Schritt zurück.
Freizeitläufer trainieren ja eigentlich ständig, nicht nur Läufer die an Wettkämpfen teilnehmen folgen Trainingsplänen, viele richten sich auch nach anerkannten Trainingswissenschaftlichen Erkenntnissen, wiederum andere folgen ihrem Bauchgefühl und machen intuitiv das, wozu andere vllt. Hilfe brauchen. Ein eher kleiner Teil läuft einfach regelmässig aus Gewohnheit (Streaker, oder Läufer die immer die gleiche Strecke absolvieren).
Ohne konkrete Zahlen zu können schieße ich ins blaue und behaupte aber, dass ein Großteil der Freizeitläufer aktiv trainieren und Ziele erreichen möchten. Schneller werden… weiter laufen … fit bleiben … oder eben Wettkampfziele (Distanzen, Zeiten & Co.) erreichen.
Ein Teil davon ist ambitionierter Amateursportler und wird trainiert, andere sind einfach Mitglied in Laufgruppen oder Leichtathletik Vereinen. Diese Gruppe Läufer hat also tatsächlich einen Trainer zur Verfügung. Aber was ist mit den anderen … die sind ihr eigener Trainer. Sie müssen es sein!
Bin ich, wirklich nur ich beim Laufen?
Ja aber warum müssen? Das ist der Ausgangspunkt, der mich zu diesem Blog gebracht hat – bin ich als Läufer nicht einfach nur ich selbst in Laufschuhen? Muss ich mein eigener Trainer sein – brauche ich das überhaupt.
Das ist ganz klar eine gewichtige Frage; ich habe länger darüber nachgedacht, was diese zwei Rollenbilder so weit unterschiedlich macht, das es sinnvoll ist beide ernsthaft einzunehmen.
Als Läufer, der eben etwas mehr möchte als einfach nur laufen hat man Ziele. Manch einer folgt einem vorgegebenen Trainingsplan, ein anderer trainiert relativ frei – aber das Ziel ist das entscheidende um was es mir geht. Möchte man das Ziel erreichen sollte man möglichst fokussiert darauf sein. Zudem kennt man als Läufer seine Zielhierarchie – man erkennt das Endziel und weiss welche Einzelziele auf dem Weg dahin erreicht werden wollen. Fokussierung bedeutet aber manchmal auch Tunnelblick.
Vor allem während der Trainingseinheiten kann ich persönlich nicht vernünftig sein. Nein, mit Vernunft will ich da nichts zu tun haben – was zum Teufel ist daran vernünftig abends um 21 Uhr bei noch fast 30 Grad Intervalle zu laufen. Ich kenne mein Ziel, das Werkzeug und führe aus.
In der Welt gibt es mehr Trainer als man denkt. Das ist mir klar geworden, das obige Beispiel lässt sich aufgreifen – der Handwerker kennt sein Ziel und das Werkzeug, aber der Architekt oder der Vorarbeiter kennen den Plan und erkennen aus ihrer Außenperspektive Entwicklungen und Dinge, die man bei der Klein-Klein-Arbeit nicht wahrnehmen kann. Die Aufgaben eines richtigen Trainers sind natürlich vielfältig – Dinge wie Motivation oder Hilfe bei Bewältigung von Krisen oder Problemen sind Bereiche um die sich viele Menschen sowieso selbst kümmern – die aber auch von außen besser zu bewältigen sind als von innen.
Der Selbst-Trainer
Als Selbst-Trainer muss ich mein eigenes tun beurteilen können – mir persönlich fällt das nicht immer leicht. Vielleicht könnte man dieses Sinnbild, dass ich hier aufgebaut habe auch „Vernunft“ nennen, aber das wäre etwas zu kurz gegriffen.
Man erwischt sich doch selbst sehr oft dabei. Wird man um Rat gefragt oder befindet sich in einer Diskussion kennt und rät man leichter Dinge, vor denen man – ist man selbst betroffen – manchmal die Augen verschließt. Das kann man sich natürlich auch für das Laufen beibehalten, aber auch als Freizeitläufer ist man oft auf der Suche nach einem „optimalen“ Training, dazu gehört meiner Meinung nach auch korrigierend bei eingefahrenem einzugreifen, unliebsame Ratschläge und Veränderungen anzunehmen die erst einmal nicht den eigenen Zielen und Wünschen entsprechen.
Mein passendes Beispiel ist noch keine 7 Tage alt. Nach drei Wochen mit erfolgreich gesteigerten Umfang war einfach eine Reduktionswoche fällig. Meine Trainer-Seele hat das letzten Sonntag beschlossen und geplant. Die Läufer-Seele macht am Wochenanfang noch mit und meinte aber schon Dienstagabend, dass das alles nicht so schlimm sei. Wie Engelchen und Teufelchen auf der Schulter hab ich die letzten Tage diesen Disput ausgefochten … mein innerer Trainer hat sich durchgesetzt und das sicher auch zu recht, denn von knapp 40 auf gut 55 WKM zu steigern benötigt Regeneration. Das ich diese Woche generell etwas schlapper bin, hat mich letztlich auch in meiner Entscheidung bestätigt standhaft zu bleiben und nicht immer nur auf mehr Umfang, mehr Läufe usw. zu schauen.
Laufen ist ein tolles Hobby – es entspannt, es bringt mich in die Natur und es hat einen hohen Gewohnheitsfaktor (andere mögen Suchtfaktor dazu sagen) … Gewohnheit und Entspannung bringen mich dabei teilweise weit weg von alltäglichen Überlegungen – man läuft locker im Kopf Kilometer um Kilometer, das gute Gefühl bestätigt einen … und dann soll man doch tatsächlich mal langsam laufen, oder kürzer, oder gar nicht … das ist der Läufer-Seele schwer zu vermitteln, dazu brauche ich meinen inneren Trainer, meine Rolle mit der ich meine Handlungen auch mal kritisch beleuchte und mit der ich Entscheidungen treffe die nicht immer nur aus dem Bauch heraus sind.
Wichtig ist – denke ich – sich das regelmässig vor Augen zu halten, ob man nun mit dem inneren Trainer ein Zwiegespräch führt oder sich darauf verlässt, dass die Intuition der eigene Trainer ist … hin und wieder sollte man sich die Zeit nehmen und Ziele und Pläne zu überprüfen … aber ganz ehrlich, eigentlich wissen wir das ja, es fehlt manchmal nur einer, der einen dazu bringt ;-)